Vor 25 Jahren wechselte Rainer Stoll vom Landratsamt in Waldshut als Leiter des Haupt- und Bauamts ins Wutöschinger Rathaus. Damals hatte sein Vorgänger in diesem Amt, Georg Eble, auf dem Stuhl des Bürgermeisters platz genommen. Im Gespräch mit dieser Zeitung erinnert er sich an diese Zeit des Anfangs und wie sich die Perspektive als amtierender Bürgermeister verändert hat.
Herr Stoll, vor 25 Jahren haben Sie die Stelle im Hauptamt angetreten. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Rainer Stoll: Ich kam vom Landratsamt Waldshut, wo ich nach meinem Studium etwas mehr als ein Jahr im Sozialamt tätig war. In Wutöschingen hat es mir vom ersten Tag an sehr viel Spaß gemacht, wenn auch der Verantwortungsbereich – insbesondere personell – ein völlig anderer war. Georg Eble ist frisch Bürgermeister geworden, und ich wurde sein Nachfolger als Haupt- und Bauamtsleiter. Die Erinnerung an die Zeit bringt mit, dass wir uns beide erst in der für uns jeweils neuen Position zurechtfinden mussten. Das ganze Team einschließlich meines Chefs haben mir den Einstieg sehr erleichtert.
Was hat Sie als Hauptamtsleiter dazu bewogen, für das Bürgermeisteramt zu kandidieren?
Stoll: Naja – ganz pragmatisch beurteilt: Ich wurde in den 24 Jahren meiner Amtsleiterzeit mehrfach aus umliegenden Gemeinden darauf angesprochen, mich dort zu bewerben. Das kam für mich nie infrage – entweder in Wutöschingen oder nirgends. Damit war klar, dass bei Amtsende von Georg Eble die Frage auf mich zukommen wird, ob ich mich traue, mich der Wahl zu stellen und damit eine Wahlniederlage in Kauf zu nehmen. Was nicht so einfach ist. Die Aufgaben des Amtes selbst konnte ich 24 Jahre lang kennenlernen – ich habe mir dieses Amt schon zugetraut, so ehrlich bin ich. Am Ende habe ich mich für die Bewerbung entschieden.
Wie hat sich Ihr Blick auf die Gemeinde verändert, seit Sie nicht mehr als Amtsleiter, sondern gestaltend tätig sind?
Stoll: Als Amtsleiter war eine Hauptaufgabe, für die mir gestellten Aufgaben oder Problematiken Lösungsansätze zu erarbeiten. Das darf ich auch heute noch, worüber ich froh bin, da es mir Spaß macht. Neu ist, dass ich als Bürgermeister aktiver sein kann und ich mich selbst auf die Suche nach Problemen und deren Lösung begeben kann.
Wie unterscheidet sich ein Arbeitstag vor 25 Jahren von einem heute?
Stoll: Ich hatte damals und heute immer sehr viel Arbeit auf meinem Tisch liegen, was ich aber nicht als belastend empfinde. Das hat sich nicht verändert. Deutlich zugenommen hat jedoch mit Bestimmtheit, die tägliche Informationsflut, die Zunahme der Verwaltungsaufgaben für unsere Gemeinde, die Menge an Verwaltungsvorgaben und Ausführungsvorschriften. Da ist alles deutlich mehr und schneller geworden...
Was war die größte Herausforderung beim Rollenwechsel zum Bürgermeister?
Stoll: Dienstlich fällt mir nicht viel ein dazu, was beim Rollenwechsel eine Herausforderung war. Persönlich ist es aber so, dass ich grundsätzlich nicht gerne im Scheinwerferlicht oder im Mittelpunkt stehe. Ich will einfach meine Arbeit machen und diese idealerweise möglichst gut. Im neuen Amt wird jedoch ab und an einfach eingefordert, sich auf die Bühne zu stellen. Das gehört offensichtlich dazu – wenn es erforderlich ist, dann mach‘ ich das auch. Klar.
Wie haben Sie diesen Perspektivwechsel gemeistert?
Stoll: Den Perspektivenwechsel empfand ich gar nicht so groß, wie man sich das vielleicht vorstellt. Aber häufig beschreibt man mich als Typen, der den Menschen im Gespräch aufmerksam zuhört. Dabei versuche ich einen Perspektivenwechsel dahingehend vorzunehmen, dass ich mir die Sichtweise der mir gegenübersitzenden Person zu meiner eigenen mache, was mir dabei hilft, deren Sorgen oder Nöte besser zu verstehen. Dies gelingt mir leider nicht immer so, wie ich mir das wünsche.
Welche Projekte oder Entscheidungen in Ihrer bisherigen Amtszeit würden Sie als besonders prägend bezeichnen?
Stoll: „Prägend“ ist mir deutlich zu hochgestochen! Gleichwohl waren infrastrukturell mit den anstehenden Neubauten von Tagespflege und Feuerwehrgerätehaus, vom Ruhewald, Glasfaserausbau und Kanalsanierung sind schon einige Projekte dabei, die uns beschäftigten und weiterhin beschäftigen. Von grundsätzlicher Bedeutung war auch die beschlossene Abschaffung der unechten Teilortswahl, wobei sich – wie von uns erwartet – gezeigt hat, dass sich die Besetzung in unserem Gemeinderat nach der Kommunalwahl nur wenig verändert hat. Die pragmatische, ortsteilübergreifende Entscheidungsbildung im Gremium blieb völlig unverändert.
Wie können Sie die Erfahrung aus der Verwaltung nutzen, um Wutöschingen in den kommenden Jahren weiterzuentwickeln?
Stoll: Wir können Wutöschingen aus meiner Sicht nur sinnvoll und ordentlich weiterentwickeln, wenn sich alle in diesem Prozess einbringen – insbesondere unsere Bürgerinnen und Bürger. Ich persönlich bin weit davon entfernt, die Auffassung zu haben, dass Gemeinderat und Verwaltung das ausschließliche Recht auf gute Ideen für die Zukunft unserer Gemeinde haben. Aber um auf die Frage zurückzukommen: Ein rechtliches Studium und praktische Erfahrung (im Guten wie im Schlechten) können bei der Beurteilung von Umsetzungsmöglichkeiten hinsichtlich Herausforderungen oder Aufgabenstellungen schon erleichtern, ja.
Welche Themen liegen Ihnen besonders am Herzen, zum Beispiel Digitalisierung, Klimaschutz, Bürgerbeteiligung, Infrastruktur?
Stoll: Herzensthemen von mir sind diejenigen, die das Leben von Menschen unserer Gemeinde verbessern, die mit Handicaps zu kämpfen haben, denen es unsere Gesellschaft unnötig schwer macht oder denen es aus verschiedenen Gründen vielleicht nicht so gut geht, wie es sein sollte. Häufig sind das kleinere Dinge, die wichtig sind und von uns mehr Augenmerk erfordern sollten – da mal eine Gehwegabsenkung für Rollstuhlfahrer, Betreuungsausweitungen für Kinder in den Ferien, die Barrierefreiheit in unserer Alemannenhalle, Kontaktmöglichkeiten von vielleicht vereinsamten Menschen über unseren Seniorenkalender. Die Aufzählung kann beliebig lang weitergeführt werden. Natürlich sind die oben genannten Themenfelder gleichwohl allesamt wichtig, weshalb wir diese auch weit oben auf unsere Agenda führen. Ihre Frage zielte jedoch auf Herzensthemen ab.
Was hat sich im Umgang mit Bürgern und Gemeinderat seit der Wahl verändert?
Stoll: Aus meiner Sicht tatsächlich überhaupt nichts. Ich freue mich, wenn das unsere Bürgerinnen und Bürger wie auch unsere Gemeinderatsmitglieder auch so sehen.