Die an die Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer adressierte Mail von Gaby Hauptmann steckt voller Ironie. Die Schriftstellerin hat sich dafür richtig Mühe gegeben: Den Aushub in Sichtweite ihrer Terrasse setzt sie in Bezug zur Selbstdarstellung der Behörde, die ihre Aufgabe im Erhalt einer lebenswerten Region sieht und dies unter Beteiligung der Menschen erreichen möchte. Nach Ansicht von Gaby Hauptmann ging beides gründlich daneben.
„Von welchen Bürger und Bürgerinnen sprechen Sie?“, fragt die Schriftstellerin in ihrer Mail an die Regierungspräsidentin. Dann beschreibt sie, was sie und weitere Anwohner der Hinnengasse an jenem Tag beobachteten. „Wir sahen vier dunkel gekleidete Männer an der Lände stehen, später eine Frau in Fischerkluft, die im Wasser stehend Pfähle in die Erde rammte. Die direkten Anwohner gingen dann mal hin und fragten bei den darüber etwas irritierten Herren nach, was sie da überhaupt machen.“
Die Auskunft fiel nach Darstellung von Gaby Hauptmann unbefriedigend aus. Sie hat das Dreieck an der Allensbacher Lände seit Jahren im Blick und der Aushub zum Zweck der Renaturierung und Siedlungsfläche für Flora und Fauna erscheint ihr nicht notwendig. Für Enten und Schwäne jedenfalls diente die Fläche bislang als Schlafplatz – und noch mehr Natur hält sie für problematisch, da sich der Mensch wohl kaum von diesem Platz vertreiben lassen wird.
„Wir Anrainer sehen von unseren Häusern aus übers Jahr hinweg die Horden von Menschen, die auf der Lände ihre Freizeit genießen und auch gern mal ihren Abfall auf das Dreieck werfen“, so erläutert Gaby Hauptmann. Bisher sei dies von den Anrainern wieder entsorgt worden. „Im Sommer legen hier zahlreiche Boote an, die schnell im angrenzenden Restaurant Pizza holen oder auch gleich dort essen wollen“, führt sie weiter aus.
Zur Vorgeschichte
Vor dem geschichtlichen Hintergrund stuft Gaby Hauptmann das Verhältnis zwischen Mensch und Natur sowie die Rolle der Anrainer in diesem Zusammenspiel als tragfähigen Kompromiss ein. Denn während Jahrzehnten sei das Dreieck ein Art Müllplatz gewesen, weil das Wasser alle Abfälle genau in diesen Bereich schwemmte. Man wollte Abhilfe schaffen, also sei das Dreieck aufgefüllt worden. Die Folge: Das Wasser schwappte vorbei – und somit die Abfälle. „Schwäne und Enten eroberten den Platz für sich, allen war gedient“, schreibt die Anwohnerin.

Das alles hätte das Regierungspräsidium wissen und berücksichtigen können, wenn sich die Behörde an ihre eigene Maßgabe gehalten und die Menschen, die hier zu Hause sind oder arbeiten, in die Planung und Umsetzung beteiligt und informiert hätten. „Ein Miteinander sieht anders aus, man hätte die Beobachtungen der Anrainer abfragen können“ schreibt Gaby Hauptmann. Die Leute am Ort jedenfalls wüssten, dass hier weder seltene Tiere noch seltene Pflanzen eine Chance haben. Jetzt befürchtet sie, dass die vorgesehene Bepflanzung nichts bewirkt – außer erneut zur Müllhalde zu verkommen und den Schwänen und Enten den Schlafplatz zu nehmen.
Im Regierungspräsidium unterdessen gehören emotionale Anwürfe wie die von Gaby Hauptmann zum Alltag. Im Geflecht der Verwaltungen und der Umsetzung politischer Vorgaben hat die Behörde oft das große Ganze im Blick und verfolgt langfristige Strategien. Dazu gehört die politisch gewünschte Renaturierung großer Teile des Seeufers, was sich jedoch nicht von heute auf morgen bewerkstelligen lässt.
Behörde nutzt Hausverkauf als Chance zur Renaturierung
Anlass für den Aushub der etwa 20 mal fünf Meter großen Fläche sei der Verkauf der Immobilie samt des dazugehörigen Seezugangs im vergangenen Jahr gewesen. Das Land habe in diesem Fall nicht von seinem Vorkaufsrecht für Gewässerrandstreifen Gebrauch gemacht und stattdessen mit dem neuen Eigentümer eine Vereinbarung mit Eintrag im Grundbuch abgeschlossen, dass die Behörde den Gewässerrandstreifen im Bereich des Grundstückes naturnah umgestalten können.
Dabei folge man der Bodensee-Uferbewertung der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee, wonach der Gewässerabschnitt in diesem Bereich als naturfern eingestuft ist. Dass der Gewässerrandstreifen und das Ufer vor einigen Jahren aufgefüllt beziehungsweise teilweise mit einer Ufermauer versehen wurde, ist in Freiburg bekannt – ebenso wie die Nutzung als Bootsliegeplatz.

Ökologisch sinnvoll ist das nach Ansicht der Behörde nicht. Zur ökologischen Aufwertung soll der Uferabschnitt in eine genannte Wasserwechselzone umgewandelt werden. „Solche dem wechselnden Wasserspiegel angepassten Zonen mit Ufervegetation und Flachwasserbereichen entsprechen dem natürlichen Zustand des Bodenseeufers“, heißt es in einem Schreiben der Behörde. Dazu werde der Uferabschnitt mit Schilf und standortgerechten Gehölzen wie Weide und Schwarzerle aufgewertet.
„Gerade in diesem innerörtlich stark genutzten und bebauten Bereich kann sich so eine standortgerechte Ufervegetation entwickeln mit kleinen Rückzugsräumen für Jungfische und Insekten“, so argumentiert man in Freiburg. „Hiervon profitieren übrigens auch Wasservögel wie Enten und Schwäne. Zudem sehen wir durch diese Maßnahme eine Aufwertung des landschaftlichen Bildes in unmittelbarer Nähe der öffentlichen Parkanlagen.“
Bürgerbeteiligung um jeden Preis?
Bleibt die Frage nach der Beteiligung der Bürger. Wegen der Kleinräumigkeit sah die Behörde dazu in diesem Fall keine Veranlassung, zumal nur ein einzelnes Grundstück betroffen sei und durch die Arbeiten mit keinen nennenswerten Beeinträchtigungen des Umfeldes gerechnet werden müsste. Informiert und eingebunden gewesen seien ferner das Landratsamt Konstanz sowie die Gemeinde Allensbach.
Bürgermeister Stefan Friedrich bestätigt die Angaben des Regierungspräsidiums und ordnet die Arbeiten in den lokalen Kontext ein. Bei den Arbeiten im Lände-Dreieck handelt es sich demnach nicht um Stückwerk, sondern um den Beginn der naturnahen Umwandlung des gesamten Bereichs vom westlich gelegenen Steg bis zu dem jetzt abgegrabenen Areal.

Unter der Voraussetzung der Zuschussbewilligung sei mit der Sanierung im nächsten Jahr zu rechnen. Im Gemeinderat sind nach Darstellung des Bürgermeisters sowohl die aktuellen Arbeiten im Lände-Dreieck als auch ist die Renaturierung des gesamten Uferbereichs ab dem Steg unstrittig.