Jetzt wird das unschöne Kapitel geschlossen: Die unzulässige Abholzung im Markelfinger Winkel war ein letztes Mal Thema im Radolfzeller Gemeinderat. Im großen Saal des Milchwerks wurden dabei abschließend noch einmal die Geschehnisse im vergangenen Jahr zusammengefasst und die Entscheidung des Landratsamts Konstanz zur Selbstanzeige der Stadt Radolfzell mitgeteilt: Die Behörde bestätigte zwar, dass durch einen Teil der Abholzungen ein geschütztes Biotop betroffen ist und durch die Maßnahme eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, ein Straftatbestand werde jedoch nicht erfüllt. Von einer Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens sei abzusehen. Mehrere Stadträte kritisierten diese Entscheidung – und auch den ehemaligen Oberbürgermeister Martin Staab.
Zwar erklärte Oliver Roller von der städtischen Stabsstelle Rechnungsprüfung, dass Martin Staab – obwohl Veranlasser der Maßnahme – nicht alleine für den vollen Umfang des Eingriffs verantwortlich gemacht werden könne. Denn zwischen ihm, der Abteilung Landschaft und Gewässer sowie den ausführenden Technischen Betrieben sei es zu Missverständnissen gekommen und Staab werde sich darauf berufen, von einem wesentlich geringeren Eingriff ausgegangen zu sein.
Zur Erinnerung: Im Sommer hatte Martin Staab angegeben, es habe bei der Weitergabe des Abholzungsauftrags mehrere Missverständnisse in der über den Umfang und die Art der Maßnahme gegeben. Er sei von einem Rückschnitt ausgegangen, die Technischen Betriebe führten jedoch einen Kahlschlag aus.

Siegfried Lehmann (FGL) war aber in der Sitzung vor allem das Verhalten des ehemaligen OB ein Dorn im Auge: Martin Staab habe unter anderem ihm gegenüber erst behauptet, von nichts zu wissen, dann, die Abholzung sei nicht von ihm beauftragt worden, später aber doch ein Missverständnis zugegeben, die Verantwortung jedoch von sich geschoben. Lehmann wolle sich nun vor die städtischen Mitarbeiter stellen, die die Maßnahme durchgeführt haben.
Anordnung trotz Bedenken
Die Abteilung Landschaft und Gewässer habe, wie Oliver Roller noch einmal aufrollte, per E-Mail gegenüber Martin Staab Bedenken zum Gehölzrückschnitt im Bereich zwischen den Bahngleisen, der Kläranlage und dem Seeufer geäußert. Wie Oliver Roller in der jüngsten Sitzung berichtete, waren allerdings sowohl die Fachabteilung als auch der OB wohl zunächst davon ausgegangen, dass kein Eingriff in naturschutzrechtlich geschützte Bereiche erfolgen. In einem Lageplan war das nämlich irrtümlich nicht erkennbar.
Bedenken gab es aber dennoch. Und der ehemalige OB habe trotzdem den Auftrag erteilt, soweit wie möglich dem Anliegen des Anwohners, der einen freien Seeblick wollte, nachzukommen, so Lehmann. „Dann wird natürlich der Mitarbeiter das ausführen“, sagte er. Christof Stadler (CDU) nannte die Geschehnisse sogar einen „Verlust von Demokratie“.
„Ich erwarte, dass gleiches Recht für alle gilt“
Auch das Landratsamt Konstanz musste in der Sitzung Kritik einstecken. Siegfried Lehmann zeigte kein Verständnis dafür, dass zwar eine Ordnungswidrigkeit festgestellt wird, aber keine Konsequenzen folgen. Gegen andere Ordnungswidrigkeiten werde schließlich auch vorgegangen. „So erwarte ich natürlich, dass gleiches Recht für alle gilt“, ärgerte sich der Stadtrat.
Man könne nicht davon ausgehen, dass es sich bei der Anordnung zur Abholzung um ein Missverständnis handle. „Das ist ein Eingriff, der naturschutzrechtlich nicht okay ist.“ Auch Bernhard Diehl sagte deutlich: „Es geht um die Konsequenzen.“ In dem Fall werde ein Bürger anders behandelt als andere.
Wer übernimmt die Kosten?
In der Sitzung ging es auch um die finanziellen Auswirkungen des Kahlschlags. Rund 6300 Euro kosteten laut Oliver Roller die Abholzungen sowie weitere Maßnahmen wie etwa die Entsorgung der Gehölze und ein Holzzaun, der angebracht worden sei – die Selbstanzeige und die Nachpflanzung von Bäumen nicht mit eingerechnet.
Ursprünglich sei ein Betrag von über 7000 Euro genannt worden, aber das stimme nicht, da seien ein paar Kosten falsch zugeteilt worden. Für den Fall, dass vom Verursacher der Maßnahme ein Kostenersatz gefordert werden soll, hätte ein Fachanwalt beauftragt werden müssen, erläuterte Roller.
Dem Geld nicht hinterherrennen
Das Geld bei Martin Staab einzuklagen, hielt Siegfried Lehmann aber nicht für den richtigen Weg. Er hätte sich gewünscht, dass der ehemalige OB versucht hätte, den Vorfall wieder gut zu machen, aber jetzt vor Gericht zu ziehen, diesen Weg könne er nicht mitgehen. „Das müssen wir jetzt aushalten“, erklärte Lehmann. Erneut war Bernhard Diehl gleicher Meinung. Auch er hätte sich gewünscht, Martin Staab würde Verantwortung übernehmen: „Wenn er gesagt hätte, da ist ein Fehler passiert, dafür entschuldige ich mich, wäre das Thema lange erledigt.“ Aber es mache keinen Sinn, dem Geld hinterher zu rennen. „Für mich ist der Fall jetzt erledigt.“
Fraktionskollege Helmut Villinger fragte, ob die Kosten nicht von jenem Anwohner übernommen werden könnten, der sich die freie Sicht auf den See überhaupt erst gewünscht hatte. „Warum schickt die Verwaltung dem Besteller dieser Abholzung nicht eine Rechnung?“, fragte er, und bat die Verwaltung darum, das zu prüfen. Oliver Roller war da jedoch skeptisch: „Ich sehe es problematisch, weil er es ja nicht direkt in Auftrag gegeben hat“, erklärte er. Zwar habe der Anwohner im Rathaus Druck gemacht, aber wenn, dann hätte ihm gegenüber von Anfang an Kosten genannt werden müssen. „Jetzt im Nachhinein zu kommen sehe ich problematisch“, so Roller. Zudem sei der Anwohner mittlerweile verstorben.
Das Thema ist erledigt
Norbert Lumbe (SPD) verstand die ganze Angelegenheit als Wertediskussion. Für den Gemeinderat sei es Fakt, dass Werte verletzt worden seien. Er sah das als Auftrag an den neuen OB Simon Gröger, diese Werte in seiner Amtszeit einzuhalten. Auch Christof Stadler unterstützte diesen Auftrag. Einen Punkt hinter den Vorfall wollte er dennoch machen: „Wir sind froh, dass wir ein neues Kapitel aufschlagen können“, sagte er.
Anmerkung: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Martin Staab habe sich auf SÜDKURIER-Nachfrage nicht zu den Vorwürfen in der Gemeinderatssitzung geäußert. Tatsächlich hat Martin Staab jedoch fristgerecht am Donnerstag, 17. Februar, per Mail geantwortet, wie er in einer nachfolgenden Mail aufzeigt. Diese Antwort kam aber aus scheinbar technischen Gründen weder im Postfach noch im Junkmail-Ordner an. Darin betont Staab, „das unabhängige Rechnungsprüfungsamt der Stadt und das Landratsamt als Aufsicht haben diesen Vorgang geprüft und abgeschlossen und kommen beide bei der Betrachtung der Fakten zu einem anderen Ergebnis als einzelne Vertreter des Gemeinderates.“ Weiter teilt er mit: „In einer öffentlichen Sitzung im Nachhinein meine Aufrichtigkeit und Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen, ohne dass ich Gelegenheit habe, darauf einzugehen, ist vor allem eines: einmal mehr ein schlechter Stil.“ Mehr gebe es dazu nicht zu sagen, schreibt Staab abschließend in seiner Stellungnahme.