Hani Soyhan steht vor einer schwierigen Aufgabe. Sie und ihre Geschwister suchen eine Wohnung für ihre Eltern. Die leben bislang in einer Wohnung im dritten Stock. Doch da ihr Vater an Demenz leide und schlecht zu Fuß sei, werde das immer schwieriger. Denn er könne zwar in die Tagespflege gehen, doch dafür müsse er an der Haustür abgeholt werden. Ihn die drei Stockwerke herunter zu bugsieren, dauere eine Dreiviertelstunde, zudem seien zwei Helfer nötig. Doch sie und ihre fünf Geschwister arbeiten und können sich nicht regelmäßig dafür Zeit nehmen. Nun suchen sie eine behindertengerechte Wohnung im Erdgeschoss. Das Problem: Das Budget sei begrenzt, sagt Soyhan, auch wenn alle Geschwister bei der Miete mithelfen würden.

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Der Singener Wohnungsmarkt ist schwierig, das spürt auch Doris Grießhammer. Sie ist seit Kurzem auf der Suche nach einer neuen Wohnung. Ihr Problem: Sie lebe von einer Erwerbsminderungsrente. Da sei es schon schwierig, überhaupt eine Kaution aufzubringen, wie sie erzählt. Ihre Karriere auf dem Singener Wohnungsmarkt habe sie auch durch das Conti-Hochhaus geführt. Und jetzt? „Man findet nichts“, sagt Grießhammer.

Doris Grießhammer mit ihrem 13 Jahre alten Golden Retriever Nando beim Spaziergang am Aach-Ufer.
Doris Grießhammer mit ihrem 13 Jahre alten Golden Retriever Nando beim Spaziergang am Aach-Ufer. | Bild: Tesche, Sabine

Kathrin Höpfner hat diese Erfahrung ebenfalls gemacht – aus einer völlig anderen Lebenssituation heraus. Aus beruflichen Gründen wollten sie und ihr Mann, die beide aus dem Raum Singen stammen, vor einigen Jahren von Köln wieder in die alte Heimat ziehen. Gefragt war ein Haus für die Familie. Viele Anzeigen habe man angeschaut und auch einige Häuser besichtigt, aber nicht das Passende gefunden. Bis sie eines Tages eine flüchtige Bekannte beim Umbauen gesehen und einfach angesprochen habe. Das Haus war gefunden. Doch bis es frei wurde, habe es noch gedauert, sodass die fünfköpfige Familie noch ein Jahr in einer Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung im Haus ihrer Eltern verbracht habe, erzählt Höpfner. Trotzdem: Die Erleichterung war groß, als eine Bleibe gefunden war.

Wie leicht man etwas findet, hängt nicht allein vom Geldbeutel ab

Drei Frauen – ein Thema: das schwierige Pflaster auf dem Singener Wohnungsmarkt. Die drei Berichte verdeutlichen, dass es nicht allein eine Frage des Geldes ist, ob man in der Stadt eine Bleibe finden kann. Wohnungssuche betrifft viele Singener. Das zeigt sich auch an lebhaften Diskussionen in sozialen Netzwerken. Wie hat sich der Markt seit der Wahl von Oberbürgermeister Bernd Häusler vor acht Jahren entwickelt? Wie soll es weitergehen?

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Häusler verweist auf rege Bautätigkeit. Allein in den Jahren 2018 und 2019 habe die Stadtverwaltung Baugenehmigungen für 700 Wohnungen erteilt, in den vergangenen acht Jahren insgesamt für 1600 Wohnungen. Darunter seien nicht nur Eigentumswohnungen, sondern auch Mietobjekte. Die beiden großen Singener Baugenossenschaften hätten zuletzt etwa 500 Mietwohnungen gebaut, mehr als 100 seien geplant oder in Umsetzung. Außerdem sei die Zahl der Einwohner in Singen in seiner Amtszeit um etwa 1900 auf 47.900 gestiegen, so Häusler. Und die Menschen kämen auch nach Singen, weil es bezahlbaren Wohnraum gebe. Häuslers Beleg: Etwa 2100 Erwachsene und 1100 Kinder in Singen bekämen Arbeitslosengeld II, auch Hartz IV genannt. Im viel größeren Konstanz seien es ähnlich viele Erwachsene und 800 Kinder.

Es gibt günstigen Wohnraum in der Stadt, die Zahl der Sozialwohnungen ist in zehn Jahren aber stark gesunken

Doch Häusler schreibt auch, dass die Zahl der geförderten Wohnungen – auch als Sozialwohnungen bekannt – von 425 im Jahr 2010 auf nun 157 gesunken sei. Allerdings sei der größte Teil davon im Besitz der Genossenschaften, die die Wohnungen auch nach Ablauf des Förderzeitraums weiterhin preisgünstig vermieten würden. Die frühere städtische Immobiliengesellschaft GVV habe dabei nicht geholfen: Der städtische Wohnungsbestand habe sich seit der Übernahme durch die GVV 1995 von 712 auf 471 im Jahr 2014 verringert – durch Verkauf und Abriss.

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Und die GVV habe nur zehn Mietwohnungen für den eigenen Bestand gebaut. Könnte eine neue städtische Wohnbaugesellschaft hier Abhilfe schaffen? „Solange noch nicht einmal die Insolvenz der GVV abgeschlossen ist, macht es wenig Sinn, darüber zu philosophieren“, schreibt Häusler auf Anfrage. Die Stadt habe inzwischen wieder mehr als 50 eigene Wohnungen, die sie sehr günstig vermiete. Und auch künftig werde man mit Baugenossenschaften und Investoren daran arbeiten, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Chef des Mieterbundes plädiert für eine städtische Wohnungsbaugesellschaft

Herbert Weber, Vorsitzender des Mieterbundes Bodensee, plädiert trotzdem für eine städtische Wohnbaugesellschaft. Denn: „Wirklichen Einfluss hat man nur, wenn einem etwas gehört.“ Wohnraum für bestimme Gruppen vorhalten und die Bewohner eines Hauses gut durchmischen könne die Stadt eben nur als Eigentümerin. Alle anderen Vermieter würden sich nicht vorschreiben lassen, wen sie aufnehmen. Webers Einschätzung lautet, dass es viel zu wenige Sozialwohnungen in Singen gebe. Und die Mieten würden zu schnell steigen, weil man im Prinzip nur einen Mangel verwalte. Auch ein Mietspiegel, den es in Singen nicht gebe, sei wichtig, um die Preise im Zaum zu halten.

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Und aus Vermietersicht? Thomas Feneberg ist Chef der Baugenossenschaft Oberzellerhau (BGO), nach eigenen Angaben Singens größter Vermieter. Die Zahl der Genossenschaftswohnungen gibt er mit etwa 1600 an, davon etwa 95 Prozent in der Kernstadt Singen. Auch Feneberg betont die rege Bautätigkeit und beurteilt die Entwicklung von Singen als sehr gut. Steigende Mietpreise begründet er mit steigenden Baupreisen: Dauerhaft draufzahlen kann auch eine Genossenschaft nicht. Dass Wohnraum in der Stadt sehr begehrt ist, bestätigt auch Feneberg. Die BGO führe eine Warteliste, auf die allerdings nicht alle aufgenommen werden könnten, die gerne Mieter der Genossenschaft werden möchten. Ein Teil des Zuwachses in Singen liege auch am Wohnungsmarkt am See: „Wir sehen auch Wanderungen von Konstanz und Radolfzell.“