Johannes Bold ist seit 50 Jahren Priester. Der 75-Jährige ist gebürtiger Singener und die Herz-Jesu-Kirche war in Kindheit und Jugend seine Heimat. In der Kirche feiert er am Sonntag, 15. Mai, um 9 Uhr sein Priesterjubiläum. „Damit Sie verstehen, wie alles angefangen hat, muss ich Ihnen etwas zeigen“, erklärt Bold und öffnet die Tür zur Kirche.
Die Mutter war sehr gläubig
Seine Mutter sei sehr gläubig gewesen und besuchte jeden Tag morgens um sechs die Andacht. Eines Tages habe sie den kleinen Johannes in die Kirche zum Tabernakel, wo die geweihten Hostien aufbewahrt werden, geführt und ihm gesagt: „Hier wohnt Gott.“ Das habe ihn beeindruckt. Bold ist im Schatten der Kirche in der Hadwigstraße 30 mit drei Geschwistern aufgewachsen. Er war der Jüngste. Der Vater ist gestorben, als er neun Jahre alt war. „Die Kirche war ein Stück weit mein Zuhause und mein Wohnzimmer“, erinnert er sich. Der Kaplan habe ihn mit 13 Jahren zu einem Spaziergang auf dem Hohentwiel eingeladen und den Ministranten Johannes auf den Priesterberuf angesprochen.

Bold war als Kind und Jugendlicher nicht nur in der Kirche vielfältig engagiert. Sein Freund Michael Schwendemann wohnte nebenan und die beiden Jungen spielten zusammen Fußball und teilten die Liebe zu Beat und Rock. Die beiden waren Mitbegründer der Band Ghostriders, deren Leader Schwendemann heute noch ist. Johannes Bold spielt Gitarre: „Ich hatte nie Unterricht, das haben wir uns selbst beigebracht.“ Die Freude am Fußball hat sich Bold erhalten. Die Sportschau habe er sich immer aufgenommen und, wenn er dann Zeit hatte, geschaut.
Natürlich sei er auch einmal verliebt gewesen. Der Wunsch, Theologie zu studieren und Pfarrer zu werden, überwog aber immer. 1966 begann Johannes sein Theologiestudium, das ihn auch nach Paris führte. Er überlegte nach seinem Abschluss 1970, ein zweites Studium anzuschließen. Psychologie oder Politologie hätten ihn sehr interessiert. Doch er ließ sich überzeugen, dass er sofort in der Kirche gebraucht wurde. 1972 folgte seine Priesterweihe.
Fokolar-Bewegung war prägend
In der Herz-Jesu-Kirche zeigt der 75-Jährige auf die Bibelszene, die auf dem Altar zu sehen ist: „Einer der Abgebildeten ist Klaus Hemmerle.“ Der aus Freiburg stammende Bischof von Aachen sei ab 1966 als einer der führenden Vertreter der Fokolar-Bewegung prägend für Bolds Laufbahn gewesen. Hemmerle sei ihm ein Vorbild gewesen und habe ihn als Priester, Theologe und Fokolar nachhaltig geprägt: „Er war ein großartiger Redner, super intelligent, witzig und bescheiden.“ 1989 trat Johannes Bold der Fokular-Bewegung bei, die sich für Dialog und Offenheit in der Kirche einsetzt. Seine Laufbahn führte ihn weg von Singen. Er war Pfarrer in mehreren Gemeinden. 1989 begann Bold mit einigen Priestern ein gemeinsames Wohn- und Pastoralprojekt, zuerst in Neckargemünd, dann in Weinheim. Von 2002 bis 2016 leitete er bis zur Rente die Seelsorgeeinheit Weinheim mit 14.000 Katholiken. Nach seiner Pensionierung verbrachte er ein Jahr in Italien und lebt jetzt in Oberkirch-Nussbach, wo er weiterhin Gottesdienste hält.
Kirche in einer schwierigen Situation
Mit Blick auf die katholische Kirche heute, erklärt der Priester, dass sie sich in einer schwierigen Situation befinde. „Die Missbrauchsfälle in der Kirche sind ein schreckliches Verbrechen und müssen streng aufgearbeitet werden“, sagt er. Um die Menschen zu erreichen, spricht er sich für einfache Angebote und gegen hektischen Aktivismus aus. Als Beispiel berichtet er von einer Jugendgruppe, mit der er sich jeden Tag eine halbe Stunde getroffen habe. Jeder erzählte, was er erlebt habe und man betete kurz zusammen. Das Zusammensein und der Austausch seien wichtig. Priester und Gemeindemitarbeiter müssten ansprechbar bleiben und in der Gemeinde präsent sein. In immer größeren Seelsorgeeinheiten sieht er das als große Herausforderung.
Beruf ist für ihn Berufung
Der 75-Jährige strahlt Begeisterung für seinen Beruf aus, der für ihn Berufung ist und den er mit viel Engagement lebt. Wichtig sei ihm immer der Austausch und die Gemeinschaft gewesen. Er habe immer den Dialog mit allen Menschen gesucht und Ideen mithilfe vieler Weggefährten in die Tat umgesetzt. Als bereichernd empfand er das Zusammenleben in einer Wohngemeinschaft mit anderen Priestern. Immer samstags hätten sie bei einem Spaziergang die Predigten für den Sonntag durchgesprochen. Er habe gelernt, zuzuhören und die Menschen immer so anzunehmen, wie sie seien, ohne zu urteilen. Johannes Bold hat seine Entscheidung, Priester zu werden, nie bereut. „Es ist ein begeisternder Beruf und ich habe Glück gehabt“, sagt er.
Die Fokular-Bewegung
Stationen im Leben von Johannes Bold: Die Fokolarbewegung und die Band Ghostriders
- Die Fokolarbewegung: Die Fokolar-Bewegung entstand laut der Internetseite der Bewegung 1943 in Trient, Gründerin war Chiara Lubich. Die Fokolare engagieren sich für eine lebendige Beziehungskultur, für Verständigung und ein friedvolles Miteinander. Ihre Überzeugung gründet in der Bibel, in einer Aussage aus dem Johannes-Evangelium, in dem Jesus seinen Vater bittet, dass „Alle eins sein“ sollen. Die Bewegung ist in der katholischen Kirche entstanden, heute fühlen sich 50.000 Christen aus über 350 Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften der Bewegung zugehörig. Weltweit sollen es nach eigenen Angaben zwei Millionen Menschen sein, die meisten davon ohne religiöses Bekenntnis oder einer der großen Religionen zugehörig. Ziel der Bewegung ist es, auf allen Ebenen den Respekt und die Toleranz zu stärken und einen Beitrag zu mehr Geschwisterlichkeit und Einheit in der Welt zu leisten. Fokolare verstehen sich als Brückenbauer, sie wollen Räume für Begegnung und Dialog schaffen.
- Die Ghostriders: Johannes Bold war Mitbegründer der Band Ghostriders, die es bis heute gibt und die in diesem Jahr ihr 60. Bühnenjubiläum feiert. Michael Schwendemann, ebenfalls Bandgründer, Jugendfreund von Bold, ist heute noch Leader der Band. Die Geschichte der Band begann 1962 in einer Waschküche in der Hadwigstraße. Die ersten Auftritte bestritt die Band in ihrer Schule, dem Hegau-Gymnasium oder bei Elternabenden der Ministranten. Von 1962 bis 1965 brachten die Ghostriders nach eigenen Angaben die Beat-Clubs der Region zum Beben. Die Band machte sich im Lauf der Jahre einen Namen und trat unter anderem beim Hohentwielfestival oder bei der Landesgartenschau auf. Heute hat sie Kultstatus und ist im Jubiläumsjahr unter anderem im August beim Stadtgartenfest in Konstanz oder beim Summer in the City in der Singener Innenstadt zu hören. Am 22. Oktober feiert die Band „60 Years on Stage“ mit einem Konzert in der Singener Gems.