Die Strompreise schießen seit Jahren durch die Decke. In privaten Haushalten muss der Gürtel vielerorts aufgrund der heftigen Preissteigerungen enger geschnallt werden. Sparen steht an der Tagesordnung. Und auch die Industrie schlägt Alarm. Denn auch dort sind die Stromkosten in den vergangenen Jahren stark gestiegen und bedrohen Existenzen sowie die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Wie ernst die Lage vor allem bei energieintensiven Industrie wie bei den großen Betrieben in Singen und dem Hegau ist, zeigt ein Pressegespräch bei Fondium.
Fondium-Geschäftsführer Achim Schneider und Frederic Striegler, zweiter Bevollmächtigter der Gewerkschaft IG Metall, ist der Ernst der Lage anzumerken. „Wir haben ernste und berechtigte Sorge um den Industriestandort Deutschland“, sagt Striegler. Die Energiepreise seien aktuell viermal so hoch, wie es noch 2019 der Fall gewesen sei. „Das bedroht Firmen massiv in ihrer Existenz“, sagt er.

Denn die enormen Preissteigerungen könnten laut Striegler nicht eins zu eins an den Kunden weitergeben werden. Sprich die energieintensiven Unternehmen müssten drauf legen. Dadurch würden auch wichtige Mittel fehlen, um in die Firmen zu investieren. Und auch in der Industrie gebe es laut Striegler dringende Pflichtaufgaben wie etwa die Dekarbonisierung, um Kohlendioxid-Emissionen zu reduzieren.
Strompreis-Entscheidung der Regierung hilft nicht
Auch die jüngsten Entscheidungen der Bundesregierung, ein Strompreispaket für die Industrie zu verabschieden, bringe Fondium laut Striegler keine finanzielle Entlastung. Dies hänge damit zusammen, dass die Schmiedeöfen mit Koks betrieben werden. Das Problem: Laut Achim Schneider würde ein Betrieb der Öfen mit erneuerbaren Energien das Vierfache benötigen – wirtschaftlich nicht darstellbar.
Achim Schneider hört bei diesen Worten aufmerksam zu und nickt bestätigend. Seine Forderung gleicht der vieler anderer energieintensiver Betriebe: „Ein Brückenstrompreis ist notwendig, um die energieintensive Industrie zu schützen und Arbeitsplätze zu sichern“, sagt er.
Bereits im September 2023 hatte Stefan Dobelke als Chef-Stromeinkäufer von Fondium den Brückenstrompreis im SÜDKURIER-Interview erklärt: „Die Idee des Brückenstrompreises ist es, die Energiekosten der besonders betroffenen Unternehmen nur so lange zu senken, bis der Zubau erneuerbarer Energien und neue Energieanbieter aus dem Ausland das Energieangebot und damit auch die Preise wieder auf ein normales Niveau gebracht haben“, sagte er damals. Dobelke ging nicht von einer Dauersubvention aus.
Andere Länder zahlen deutlich weniger
Wie ernst die Lage tatsächlich ist, zeigt ein Preisvergleich mit anderen Ländern. Laut Schneider seien die Strompreise in den USA, Mexiko oder der Türkei bei einem Drittel des deutschen Preises. „Energiekonzerne und Stadtwerke füllen sich in Deutschland die Taschen und wir bleiben auf der Strecke“, sagt Schneider. Aktuell würde Fondium laut Dobelke 200 Gigawattstunden Strom pro Jahr verbrauchen, hinzukämen 400 Gigawattstunden mit Koks und etwa 100 Gigawattstunden mit Gas.
Der meiste Strom werde für die Anlagen benötigt. Ein Gigawatt entspricht einer Millionen Kilowatt. Laut Schneider würde das Unternehmen aktuell 18 Cent pro Kilowattstunde Strom ausgeben. Viel zu viel, wie er findet: „Wir fordern umgehend einen Brückenstrompreis von 6 Cent“, betont er.
Was, wenn der Brückenstrompreis nicht kommt?
Auch das hatte der SÜDKURIER Stefan Dobelke gefragt. Seine Antwort damals: „Dann wird der Mittelstand erodieren. Bei großen Konzernen, etwa im Chemiesektor, lässt sich schon länger erkennen, dass Neuinvestitionen insbesondere dort getätigt werden, wo die Energiepreise niedrig sind, etwa in den USA. Wir als energieintensiver Mittelstand können das aber nicht und wollen auch gar nicht woanders hin.“ So ein Szenario würde für Fondium darauf hinauslaufen, dass man Marktanteile an ausländische Konkurrenten verlieren würde. Dann wären Jobs in Gefahr.

Ein Umstand, der laut Frederic Striegler von der IG Metall auch bei den Mitarbeitern der Unternehmen für Sorgenfalten auf der Stirn sorgen würden. Michael Spannbauer ist stellvertretender Betriebsratvorsitzender. Er macht im Gespräch seinem Unmut über die aktuelle Situation Luft: „Ohne Gießereien funktioniert der Umstieg auf erneuerbare Energie gar nicht. Dafür braucht es Gußteile und die muss ja irgendjemand machen“, sagt er. Oder wie es Frederic Striegler formuliert: „Der Brückenstrompreis wäre ein Bekenntnis für den Industriestandort Deutschland – und dies braucht es jetzt.“