Wenn ein Unternehmen wächst, sind das in der Regel erst einmal gute Nachrichten. Wenn ein Unternehmen aus der Region im Ausland wächst, kann das aber durchaus für hochgezogene Augenbrauen sorgen – vor allem wenn es um die Schweiz geht. Das kleine Land, das nicht in der EU ist, galt viele Jahre lang als Land der für deutsche Unternehmen viel zu hohen Löhne. Allein die Nachricht, dass der Motorsägen-Weltmarktführer Stihl einen Aufbau der Produktion in der Schweiz prüfe und Pläne für ein neues Werk in Ludwigsburg beerdigt habe, sorgte im Frühjahr für Schockwellen. Letztlich kam es anders, doch Katrin Klodt-Bußmann, seit Januar Hauptgeschäftsführerin der IHK Hochrhein-Bodensee, bescheinigt der Schweiz wachsende Attraktivität für deutsche Unternehmen.

In diesem Umfeld baut auch das Singener Unternehmen Wefa – und zwar in der Schweiz. Erweitert wird nicht am Stammsitz im Singener Industriegebiet, sondern am bestehenden Schweizer Standort in Thayngen. Ein Krisenzeichen, gar ein Vorbote von Abwanderung? Keins von alledem, betont Joachim Maier, der mit seinem Bruder Oliver Maier geschäftsführender Gesellschafter des Familienunternehmens ist: „Wir sind ein Singener Unternehmen. In Singen wollen wir bleiben, da geht es uns gut“, sagt er. Und: „Wefa war schon immer international.“

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Das zeigt sich unter anderem darin, dass nach der Unternehmensgründung im Jahr 1972 zunächst 1994 ein Standort in Tschechien dazugekommen sei, 2009 einer in den USA – und schon 2005 einer in der Schweiz, eben in Thayngen. Das Firmengelände, das nun erweitert wird, liegt unmittelbar hinter der Grenze, zum Gewerbepark Green Places im Gewerbegebiet des Gottmadinger Ortsteils Bietingen kann man fast einen Papierflieger werfen.

Auf dem Schreibtisch im Geschäftsführungsbüro steht der Wefa-Flaschenöffner einträchtig neben schweizerischem Valser-Wasser.
Auf dem Schreibtisch im Geschäftsführungsbüro steht der Wefa-Flaschenöffner einträchtig neben schweizerischem Valser-Wasser. | Bild: Freißmann, Stephan

Kunden drängten auf weiteren Standort außerhalb EU

Dass Wefa überhaupt in der Schweiz vertreten ist, hat einen simplen wirtschaftlichen Grund, erzählt Joachim Maier: „Anfang der 2000er-Jahre wurden größere Kunden von uns darauf aufmerksam, dass es nur einen Standort gibt.“ Das habe die Unternehmen, die Wefa-Produkte abnehmen, beunruhigt. Was, wenn es in der einzigen Produktionsstätte mal brennt? „Es ging um Liefersicherheit“, so Maier.

Am liebsten hätten die Kunden einen Standort im außereuropäischen Ausland oder in Skandinavien gesehen. Doch auch die Schweiz liegt außerhalb der EU. Nun liegen laut Routenplaner 15 Kilometer oder 23 Autominuten zwischen den beiden Standorten.

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Dass Wefa nun in Thayngen baut und nicht in Singen, erklärt Joachim Maier ebenfalls mit unternehmerischen Überlegungen. Am Stammsitz im Singener Industriegebiet habe das Unternehmen schlicht keinen Platz für neue Gebäude. Außerdem habe die Schweiz weitere Vorteile für das konkrete Geschäft von Wefa.

Unternehmen ist am Wachstum der E-Mobilität beteiligt

Die Werkzeuge von Wefa für die Formung von Aluminiumprofilen werden nämlich auch für die Herstellung von Bauteilen für Klimaanlagen und anderen Klimatisierungsanwendungen genutzt, so Maier. Die sind auch in E-Autos eingebaut, und zwar nicht nur für die Klimatisierung im Fahrgastraum, sondern auch für die Kühlung der Batterieeinheiten.

Die Firmenteile Wefa Inotec und Wefa Swiss würden größtenteils Autozulieferer beliefern: „Bei Werkzeugen für die Herstellung von Mikroprofilen sind wir marktführend“, sagt Maier. Werkzeuge von Wefa werden laut ihm auch für die Herstellung von Tesla-Bauteilen verwendet.

In der bestehenden Werkshalle in Thayngen wird es bereits eng, wie ein Blick in die Räume zeigt. Deswegen erweitert das Unternehmen sich ...
In der bestehenden Werkshalle in Thayngen wird es bereits eng, wie ein Blick in die Räume zeigt. Deswegen erweitert das Unternehmen sich an seinem schweizerischen Standort. | Bild: Freißmann, Stephan

Während Wefa Inotec Werkzeuge in die EU und die USA liefern, beliefere man aus Thayngen Kunden in Asien. Ein Zollabkommen der Schweiz mit China tut ein Übriges, um diesen Teil des Geschäfts zu erleichtern. Und: Die Entwicklung bei batterieelektrischen Fahrzeugen finde nun einmal in China statt. Die unternehmerische Schlussfolgerung, so Firmenchef Joachim Maier: „Also werden wir unsere Kapazitäten auch in der Schweiz erweitern.“

Welche Vorteile die Schweiz für Firmen hat

Doch er gibt auch zu: Unternehmer zu sein in der Schweiz sei nicht unangenehm. Es gebe auch Vorteile, die den hohen Löhnen gegenüber stehen. Steuersätze seien niedriger, mit Behörden sei es eher ein Miteinander und auch in Sachen Bürokratie und Dokumentationspflichten komme ihm die Schweiz mitunter pragmatischer vor.

Und das sagt Maier, obwohl er die Stadtverwaltung in Singen als sehr kooperativ erlebe. Für ihn ist es eine komplexe Gemengelage, weshalb Deutschland weniger attraktiv für Unternehmer wird: „Es gibt nicht den einen Faktor.“

Wird das zum Problem für die Stadt Singen?

Die Stadt Singen stemmt sich dem nach Kräften entgegen, wie aus einer Stellungnahme von Claudia Kessler-Franzen hervorgeht. Sie leitet die städtische Wirtschaftsförderung und ist Geschäftsführerin des Standortmarketingvereins Singen aktiv. Bürokratie betreffe alle Unternehmen und Kommunen gleichermaßen, schreibt Kessler-Franzen. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten könne die Stadt aber Genehmigungen rasch erteilen und „Unternehmen bei behördlichen Fragen proaktiv und unkompliziert begleiten“.

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Große Hoffnungen ruhen auch auf der Erschließung des Gewerbegebiets Tiefenreute-Bühl. Kessler-Franzen berichtet von zwei Unternehmen, die in Singen keine passenden Flächen gefunden haben und deswegen ins Umland gezogen sind. Und mehrere kleine und mittlere Betriebe hätten Bedarf an einer Erweiterung. Ein Wegzug sei für viele aber kein Thema, so Kessler-Franzen, „da man den Standort Singen mit seinen Vorzügen schätzt“ – etwa die Verkehrsanbindung, das Branchenumfeld oder die Nähe zu Kunden. Dass andere Unternehmen aus Singen sich in der Schweiz erweitern oder gleich komplett ins Nachbarland umziehen wollen, sei bei der Wirtschaftsförderung nicht bekannt.