Standortmarketing hat meistens etwas mit weichen Faktoren zu tun – Dingen wie: Wie stellt man Kontakte zwischen den passenden Partnern her? Wie versorgt man Unternehmer mit strategisch wichtigen Informationen? Oder wie lockt man Menschen in die Innenstadt, die mit Vergnügen einkaufen gehen? Doch manchmal kann man den Effekt von Standortmarketing auch mit Zahlen messen.
Das zeigte Claudia Kessler-Franzen, städtische Wirtschaftsförderin und Geschäftsführerin des Standortmarketingvereins Singen aktiv, bei der Mitgliederversammlung des Vereins in den Räumen der Eisengießerei Fondium. Und zwar anhand von Besucherzahlen für den verkaufsoffenen Sonntag Singen Classics im April. Etwa 78.600 Menschen haben damals laut der Statistik die August-Ruf-Straße besucht, am Samstag davor waren es etwa 61.500. Und in der Scheffelstraße gab es einen besonderen Zuwachs, dort wurden am verkaufsoffenen Sonntag etwa 75.400 Menschen gezählt, am Vortag nur 54.700.
Kessler-Franzens Schlussfolgerung: Die Aktionen wirken. Die Zahlen würden übrigens auf einer Frequenzmessung beruhen, die seit Oktober 2023 in der Innenstadt installiert sei. Ohne das Bundesförderprogramm Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren könnte man die Aktionen in der Innenstadt aber nicht in dem Umfang machen, sagte der Singen aktiv-Vorsitzende Wilfried Trah.
Stärken herausarbeiten
Doch Singen aktiv beschäftigt sich mit der gesamten Stadt, weshalb die verkaufsoffenen Sonntage schon seit Jahren in Innen- und Südstadt gemeinsam veranstaltet werden, wie Kessler-Franzen ebenfalls betonte – beispielsweise anhand der Leistungsschau der IG Singen Süd im Mai 2023.

Um ein stabiles Netzwerk für Singener Betriebe zu bieten, arbeite man die Stärken des Standorts immer wieder heraus, so Wilfried Trah. Und er hatte beeindruckende Zahlen zur Wirtschaftskraft Singens dabei. Demnach mache das Handwerk der Stadt pro Jahr etwa 463 Millionen Euro Umsatz, der Handel ohne die Autohäuser 540 Millionen Euro und die Industriebetriebe sogar 3,17 Milliarden Euro. Mehr als 27.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte gebe es in der Stadt. Vom Chancenstandort Singen, wie es der Verein regelmäßig griffig nennt, profitieren alle, lautete Trahs Schlussfolgerung.
Großes Lob vom Landrat
Von diesen Stärken zeigte sich auch Landrat Zeno Danner beeindruckt. Ehe er um Entlastung des Vorstands bat, die von den Mitgliedern einstimmig erteilt wurde, sagte Danner: „Singen ist schon saumäßig aktiv.“ Alle würden in der Stadt an einem Strang ziehen und das auch noch ziemlich schnell.
Als Beispiel brachte er die Positionierung zum Thema Wasserstoffanschluss mit. Das Landratsamt habe eine gemeinsame Stellungnahme dazu vorgeschlagen, „doch, zack, Singen war schon da“. Katrin Roth, die zuständige Leiterin des Amts für Klimaschutz und Kreisentwicklung, habe diese Zusammenarbeit intensiv gelobt. Das sei der „Singen-Spirit“, so Danner.
Überhaupt, der Wasserstoff: Dass das geplante Wasserstoffkernnetz einen Bogen um ganz Südbaden macht, hat für reichlich Unmut in der Region gesorgt. Gemeinsam mit dem Landkreis, der Thüga und weiteren Akteuren sei die Stadt Singen daher ins Konsultationsverfahren zum Thema gegangen, um die Interessen der Region zu vertreten. Die Veranstaltungen von Singen aktiv dazu seien rege genutzt worden, sagte Kessler-Franzen. Und mittlerweile sei man Mitglied bei verschiedenen Initiativen.
OB Bernd Häusler: Manchmal fühlt man sich vergessen am „End of the Länd“
Das Thema Wasserstoffversorgung erwähnte auch Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler in seinem Grußwort. Ähnlich wie bei Bahnvorhaben habe man da das Gefühl, am „End of the Länd“ vergessen zu werden, wie er mit Anspielung auf die Image-Kampagne des Landes Baden-Württemberg sagte. Inzwischen hätten 40 Betriebe eine Absichtserklärung zu Wasserstoff unterzeichnet. Häusler formulierte zudem seine Hoffnung, dass die regionalen Bahnprojekte vorankommen. Nur durch die Bahn und die folgenden Unternehmensansiedlungen sei Singen 1899 zur Stadt geworden.
Mit einem neuen Stadtentwicklungsprogramm soll die Innenstadt fit für die Zukunft und vor allem für den Klimawandel werden, so Häusler weiter. Dabei dürfe man das Auto nicht verdammen, müsse aber die Stadt trotzdem lebenswerter machen. Und schließlich will die Stadt durch die Zusammenarbeit mit heimischen Unternehmen und der Konstanzer Hochschule Technik, Wirtschaft, Gestaltung (HTWG) in einem Reallabor in Richtung grüne Industriestadt kommen. Das Reallabor solle nun auch organisatorisch auf Dauer gestellt werden, so Kessler-Franzen.
Auch der gastgebende Betrieb Fondium will grün werden
Mit grüner Industrie kennt sich auch Achim Schneider, Geschäftsführer des gastgebenden Betriebes Fondium, aus. In seiner Unternehmenspräsentation sagte er, das Unternehmensziel sei, bis 2030 kohlendioxidfrei zu sein. Das werde man allerdings nicht schaffen, unter anderem weil die politischen Rahmenbedingungen noch fehlten. Er rechnete vor, dass sich der Wirkungsgrad der Eisenschmelze vom koksbetriebenen Kupolofen auf eine Elektroschmelze halbieren würde. Und sein Unternehmen sei Teil eines Projekts zur CO2-Abscheidung mit dem Karlsruher Institut für Technologie.
Vereinsregularien gab es auch noch. Der gesamte Vorstand wurde wiedergewählt und besteht auch für die nächsten zwei Jahre aus Wilfried Trah (Vorsitzender), Alexander Endlich (Schatzmeister) sowie Michael Frank, Alexander Kupprion, Kitty Molnar, Dirk Oehle, Markus Spitz und Josef Steidle als Vertreter der Wirtschaftszweige. OB Bernd Häusler ist kraft Amtes stellvertretender Vorstandsvorsitzender. Und der Singen aktiv-Mitgründer Gerd Springe wurde auf drei Jahre zum Ehrenvorstandsvorsitzenden gewählt, die erst im nächsten Jahr ablaufen.