Veganer Lebensstil, Autoteilen, Fahrradstraßen, Stromsparleuchten, Klimademos – Umweltschutz ist derzeit gefühlt überall. Doch wie sieht es in Singen aus? Kommt man schnell genug voran mit den Bemühungen, die Stadt umweltfreundlich und klimaneutral zu gestalten? Was ist in dieser Hinsicht seit der ersten Wahl von Oberbürgermeister Bernd Häusler vor acht Jahren schon passiert? Mit welchen Ideen tritt er nun zur Wahl am Sonntag, 11. Juli, an, bei der er das Amt verteidigen will? Und was sagen Aktive aus dem Umweltschutz zum Thema?
Die Bewertungen gehen naturgemäß auseinander, je nachdem, wen man fragt. Während Häusler auf all das verweist, was bereits geschafft wurde, blicken der Ortsverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Singener Aktiven von Fridays for Future (FFF) eher auf das, was in ihren Augen noch geschafft werden muss. Das Pariser Klima-Abkommen, das bundesweite Klimaschutzgesetz und zuletzt auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die frühere Version des Klimaschutzgesetzes zumindest teilweise als verfassungswidrig einstufte, sorgen für einigen Druck im Kessel. Vor diesem Hintergrund haben auch die Kreis-Grünen kürzlich ein Positionspapier verabschiede, in dem sie mehr Klimaschutz im kommunalen Bereich fordern.
Beim Tempo des Klimawandels müsste es mehr Anstrengungen geben
Die Anstrengungen genügen denn auch in den Augen von BUND und FFF nicht, wenn man sich das Tempo des Klimawandels vor Augen führt. Beide Organisationen erkennen aber an, dass es Fortschritte gibt. Die Aufstockung und Umstrukturierung der städtischen Umweltstelle hebt man beim BUND auf Anfrage als positiv hervor. Doch in der Stellungnahme heißt es auch: „Es gibt noch viel zu tun.“ Wobei die Stadtverwaltung nicht allein verantwortlich sei. Die Bürger hätten gemeinsam in der Hand, wie gut es in Sachen Umweltschutz läuft. Und die Aktivisten von FFF schreiben trocken: „Hätten wir das Gefühl, der Klimaschutz würde ausreichend thematisiert und verfolgt, gäbe es uns nicht.“

Bernd Häusler hat bereits angekündigt, die Stadt bis 2035 klimaneutral machen zu wollen. Der Gemeinderat hat kürzlich einen Grundsatzbeschluss gefasst, das Klimaschutzkonzept der Stadt überarbeiten und ein Wärmekonzept erstellen zu lassen. Beides soll konkrete Schritte festlegen, um die Klimaneutralität zu erreichen. „Sollte das klappen, wäre dies auf jeden Fall ein riesiger Erfolg“, schreiben Amina Trautmann und Matti Pelz für FFF auf Anfrage. Allerdings wolle man die Umsetzung kritisch beobachten, denn bei FFF habe man – auch in anderen Orten – miterlebt, dass Beschlüssen „nur selten Taten folgen“. Auch Häusler sieht die Klimaneutralität bis 2035 als „anspruchsvolles Ziel“. Und er fügt hinzu: „Aber nur, wenn man sich Ziele setzt, kann man diese auch erreichen.“
Häusler sieht die Stadt in Sachen Umwelt- und Klimaschutz auf einem guten Weg. Es sei allein schon beachtlich, was in den zurückliegenden Jahren umgesetzt wurde. Die Stadt decke 69 Prozent des Strombedarfs in den etwa 100 städtischen Gebäuden und bei der Straßenbeleuchtung aus Solarstrom und Windenergie. In den Straßenlaternen würden schon seit Jahren LEDs leuchten. Und auch der neue Busbahnhof sei ein Element für die neue Mobilität. Dazu kommen kleinere Maßnahmen wie Blühstreifen, die Pflanzung von Bäumen oder das Verbot von Glyphosat auf städtischen Feldern. Aber in Sachen Klimaschutz werde noch sehr viel mehr kommen, sagte Häusler bei der Vorstellung seines Wahlprogramms.
Häusler: Menschen mitnehmen, statt mit Verboten zu arbeiten
Für ihn sei entscheidend, die Menschen mitzunehmen, statt mit Verboten zu arbeiten: „Überzeugen statt verbieten“, schreibt Häusler auf Anfrage. Denn das Wort Klima sei bei vielen inzwischen negativ behaftet. Da sei es eine große Herausforderung, den Menschen Umwelt- und Klimaschutz als etwas Positives nahezubringen, etwa wenn weniger Verkehr herrsche oder Lebensmittel gesünder werden.
Die Aktiven der beiden Umweltgruppen wünschen sich für die Zukunft grundsätzlich, Umwelt- und Klimaschutz intensiver zu verfolgen. Und vor allem beim BUND gibt es viele einzelne Ideen. Dazu gehören etwa Verdichtungskonzepte, um den Flächenverbrauch zu verringern, ehe man neue Baugebiete ausweist. Und wenn es Neubaugebiete gibt, sollte dort der strenge Energiesparstandard KfW 40 Pflicht sein.
Ebenfalls auf der Liste: Eine Aufwertung der Kleingärten Knöpfleswies als letzter Klimaoase in Singen; Solarstrom-Anlagen auch als Überdachung von Plätzen oder im Außenbereich auch von Fahrradwegen; und der Vorrang des Autoverkehrs vor Bus, Radfahrern und Fußgängern müsse sich ändern. Bei FFF wünscht man sich mehr erneuerbare Energien, ein funktionierendes Wärmenetz und bessere Bedingungen für öffentlichen Nahverkehr, Radfahrer und Fußgänger. Es gibt viele Ideen – und es wird noch einiges kommen.