Klingende Namen, im wahrsten Sinne des Wortes, gab es einst in Villingen. Kräftige Stimmen aus Männerkehlen in den Chören der Stadt. Sei es beim Sängerbund, dem Flügelrad, dem Bäckerchor, im Männerchor 1887 und beim Sängerkreis. Bei zahlreichen Konzerten, an der Fastnacht, bei Sommer- Wald- und Europafesten prägten sie das kulturelle Leben der Stadt. Die Vereine hatten teils mehr als 100 aktive Sänger, und auch in den umliegenden Gemeinden hatten Männerchöre ihren festen Platz im Ortsgeschehen.

Das könnte Sie auch interessieren

Die Sängerscharen sind inzwischen in die Jahre gekommen, einige Chöre mussten auf Grund fehlenden Nachwuchses aufgeben. Singen im traditionellen Männerchor ist nicht mehr angesagt. Auch der Männerchor 1887 Villingen, der einst mit Schubert-Konzerten zusammen mit dem Sinfonieorchester das Franziskaner Konzerthaus füllte, kann sich bei einem Altersdurchschnitt jenseits der siebzig nur noch schwer über Wasser halten. Auftritte sind nicht nur Pandemie-bedingt selten geworden. Aus den vor zehn Jahren noch 50 Sängern beim Sängerkreis sind heute 28 Oldies geworden. Hat man den Wandel der Zeit zu spät erkannt?

Das könnte Sie auch interessieren

Der SÜDKURIER sprach mit Karl-Heinz Kreyer, der in der jüngsten Mitgliederversammlung nach zehn Jahren als Vorsitzender des Sängerkreises Villingen die Amtsgeschäfte in jüngere Hände geben konnte. Hat der Sängerkreis den Wandel der Zeit erkannt? „Ja, die Situation 2011 erforderte es, dass man alles auf den Prüfstand stellen musste. Ich erkannte, dass die Zukunft des Sängerkreises neu durchdacht und auf ein solides Fundament gestellt werden sollte“, erzählt Kreyer.

Die sinkenden Mitgliederzahlen, die Kosten für den Dirigenten, für die Proberaummiete und den Notenkauf hätten zum Umdenken geführt. Innerhalb des Vorstandes sei man sich einig gewesen, dass man die Monatsbeiträge der aktiven Sänger erhöhen müsse. „Ich stellte in der Jahresversammlung klar, wenn der Verein weiter bestehen soll, müssen die Mitgliedsbeiträge erhöht werden“, erzählt Kreyer von seiner ersten Amtshandlung.

Man einigte sich auf einen neuen Monatsbeitrag und somit war die finanzielle Seite geregelt. Doch das Sinken der Mitgliederzahl hielt an, weil Sänger aus Altersgründen mit dem Singen aufhörten oder verstarben.

Das könnte Sie auch interessieren

Nächte habe er gegrübelt bis ihm die zündende Idee kam, einen Frauenchor zu gründen, in der Hoffnung, dass deren Männer auch mit in den Verein kommen. Letzteres blieb aus, aber der Frauenchor nahm eine erfreuliche Entwicklung und zählte vor Corona fast 50 Sängerinnen.

„Das mit dem Frauenchor war nicht einfach, es galt vor allem die Zweifel der Vorstandskollegen zu entkräften“, erinnert sich Kreyer. In der Jahreshauptversammlung 2014 sei die Idee den Mitgliedern vorgestellt worden. „Die Gründung des Frauenchores Just for Femmes wurde fast einstimmig beschlossen“, so Kreyer, nachdem auch der älteste Sänger, Stefan Grieshaber, zugestimmt hätte.

Um jüngere Sänger zu motivieren im Chor zu singen, wurden ein Jahr nach dem Frauenchor die „Voice Boys“ gegründet, die überwiegend englische Titel singen. Die älteren Sänger singen neben dem traditionellen Liedgut auch modernere und bekannte Lieder. Dem Aufruf durch den Chorverband, Kinder an den Gesang heranzuführen, folgte zusammen mit der Bickebergschule die Gründung eines Kinderschulchores. Nachdem sich die vier Chorabteilungen etabliert hatten, wurde aus dem Männergesangverein (MGV) Sängerkreis Villingen schließlich offiziell der Sängerkreis Villingen.

Die Rechnung ging auf

Die Finanzen bei all den Aktivitäten im Blick zu haben war Kreyer immer wichtig. Anfangs wurde der Frauenchor „Just for Femmes“ und ein Jahr später die Voice Boys vorfinanziert. Die Rechnung ging auf und heute steht der Verein finanzell auf gesunden Füßen.

Gemeinsam auf den Weg gemacht

Parallel fanden Gespräche mit dem Männerchor 1887 Villingen statt, als die Situation für beide Seiten, den Oldies im Sängerkreis sowie dem Männerchor, kippte, und man feststellte, dass es für beide Chöre zusehends schwieriger wurde, allein aufzutreten. Nach einigen Vorstandsgesprächen der beiden Vereine kam man überein, künftig gemeinsam zu singen. Das war nur der Anfang. Heute wird mit einem Dirigent gemeinsam geprobt, und die finanziellen Belastungen geteilt. Derzeit bereitet man sich auf das erste gemeinsame Konzert am 15. Oktober im Franziskaner Konzerthaus vor. Organisatorisch bleiben Männerchor und Sängerkreis weiterhin selbstständig.

Das könnte Sie auch interessieren

Kreyer hat seinem Nachfolger Andreas Ehlert einen gut aufgestellten Sängerkreis mit 252 Mitgliedern übergeben. Sein Mut, neue Wege zu gehen und alte Strukturen aufzulösen, hat sich gelohnt, hat aber auch dem heute 78-Jährigen viel Kraft gekostet. „Künftig will ich einfach nur singen, im Beirat dem Vorstand beratend zur Verfügung stehen und mich um die Oldies kümmern“, sagt Kreyer. Er wünscht seinem Nachfolger, den Verein mit neuen Ideen weiterzubringen, und nicht nur in die Fußstapfen zu treten, sondern auch eigene Spuren zu hinterlassen.