Tina Fröhlich

Herr Leidborg, Sie sind seit einigen Wochen zurück in Schwenningen. War es ein bisschen wie nach Hause kommen?

Ja, schon. Meine Frau kommt ja von hier und so war ich in den letzten Jahren natürlich oft da. Es ist vor allem das Zuhause meiner Frau, aber auch für mich mittlerweile ein Stück Heimat.

Das waren aber alles Besuche, nun leben Sie wieder hier.

Das ist ein großer Unterschied. Ich habe die letzten knapp drei Jahre nicht mehr aktiv im Eishockey gearbeitet, allein schon das macht viel aus. Nach Schwenningen zurückzukommen ist aber eben noch spezieller. Immerhin sind 30 Jahre vergangen, seit ich das erste Mal hier gearbeitet habe. Ich freue mich wahnsinnig auf meine Aufgabe hier.

Sie sprechen es an, was haben Sie die letzten drei Jahre gemacht?

Ich habe vor allem als Experte gearbeitet bei einer schwedischen Zeitung. Es war einfach gut, eine Pause zu machen. Ich bin damals direkt vom Spieler zum Trainer geworden, habe seither immer an der Bande gestanden mit mehr oder weniger Verantwortung. Ich hatte Glück, die ganze Zeit Arbeit zu haben. Irgendwann habe ich aber gemerkt, dass es mehr und mehr nur noch Arbeit war. Man muss diesen Job zu hundert Prozent machen oder gar nicht – und das konnte und wollte ich nicht mehr leisten.

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Das heißt, es war eine geplante Pause und nicht der Ruhestand?

Es war eine geplante Pause. Ich habe in dieser Zeit keine Gespräche geführt, keinen Job gesucht. Und es war für mich klar: Wenn ich wieder einsteige, muss es mich absolut reizen.

Wie lange mussten Sie überlegen, als die Anfrage aus Schwenningen kam?

Eigentlich wusste ich von Anfang an, dass das passt. Ich kenne Cheftrainer Niklas Sundblad und auch den ehemaligen Co-Trainer Petri Liimatainen sehr gut. Als Petri aus familiären Gründen sein Amt aufgegeben hat, kam das Thema auf. Ich musste nicht lange überlegen. Außerdem hatte meine Frau auch genug davon, dass ich so viel daheim war (lacht). Dieser Job hat seinen besonderen Reiz. Es war quasi mein erster Job hier in Deutschland und möglicherweise wird es mein letzter sein. Das passt doch.

Was hat am Ende den Ausschlag für Schwenningen gegeben, oder war die Pause einfach lange genug?

Die Pause war auf jeden Fall lange genug! Ich hatte auch schon vorher Angebote, vor allem von schwedischen Klubs. Aber keines hatte diesen Reiz. Das Angebot der Wild Wings war anders. Es freut mich besonders, dass ich hier andere Erfahrungen einbringen kann. Als Cheftrainer steht man deutlich mehr im Fokus und auch mehr in der Kritik. Heutzutage ist Geduld eher ein Fremdwort, das ist in allen Ländern so. Das muss man akzeptieren. Ich aber möchte hier einen anderen Beitrag leisten.

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Welchen genau?

Ich glaube, ich kann meine Erlebnisse einbringen. Ich habe selbst jahrelang als Profi gespielt und anschließend 30 Jahre in verschiedenen Ligen als Trainer gearbeitet. Ich kenne viele Situationen, verstehe die Spieler. Da kann ich hoffentlich am meisten helfen.

Ist das Verhältnis zwischen Cheftrainer und Assistent vergleichbar mit dem berühmten Verhalten von „good cop“ und „bad cop“?

Ja, irgendwie schon. Endlich bin ich mal der „good cop“ (lacht). Ich habe die andere Rolle oft genug gehabt. Am Anfang meiner Trainerlaufbahn war man aber tatsächlich alles auf einmal: Cheftrainer, Assistent, Torwarttrainer und Fitnesscoach. Eishockey ist aber immer noch Eishockey. Ich möchte vor allem der Ansprechpartner für die Spieler sein.

Welchen Stellenwert hat der SERC beziehungsweise die Wild Wings für Dich?

Selbstverständlich einen ganz großen. Dieser Klub und diese Stadt sind und bleiben etwas sehr Spezielles für mich. Ich habe meine Frau hier getroffen, hatte hier meinen ersten richtigen Trainerjob. Schwenningen ist einfach anders. In Augsburg zum Beispiel gibt es Fußball und dann erst Eishockey. In Schwenningen gibt es Eishockey und noch mal Eishockey. Ich hoffe, das wird immer so bleiben.

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Wir sitzen hier bei dem Gespräch vor der nochmals umgebauten Arena. Wie hat sich der Schwenninger Club sonst noch entwickelt?

Ich lache manchmal Tränen, wenn sich heute Spieler über irgendetwas beschweren. Wenn man sich an Schnee auf dem Eis, Nebel im Stadion, die Eiseskälte und die sehr spartanischen Kabinen erinnert, sind das heute eher nicht die ganz großen Probleme (lacht). Es hat sich bei den Wild Wings auf allen Ebenen viel getan. Früher war es ein Verein, heute ist es ein Unternehmen. Das ist auch gut so, es ist alles viel professioneller.

Und wie hat sich das deutsche Eishockey in den vergangenen 30 Jahren insgesamt entwickelt?

Generell hat sich der ganze Sport weiterentwickelt. Die Spieler sind größer, schneller, kräftiger geworden. Und ja, das Spiel insgesamt ist besser geworden. Dennoch kann man die Zeiten schwer vergleichen. Wer vor zehn Jahren Deutscher Meister wurde, war damals der Beste. Wer heute Champion wird, ist es heute. Eishockey in Deutschland hat mehrere Wandlungen durchgemacht. Als ich hier angefangen habe, gab es damals in der Bundesliga sehr viele gute deutsche Spieler. Dann kam die DEL. Ich habe damals sogar das erste DEL-Spiel überhaupt mit Augsburg gegen München bestritten. Kurz darauf folgte das Bosmann-Urteil, das vieles veränderte. Es kamen viele Ausländer. Normal waren bis zu 16 oder 17 Ausländer im Kader, obwohl es teilweise bessere Deutsche gegeben hätte. Aber die Ausländer waren billiger. Das deutsche Eishockey ging dabei ein bisschen verloren. Jetzt aber, in den letzten paar Jahren, verfolgt man hier in Deutschland einen guten Plan. Man hat angefangen, die Spieler konzentriert und einheitlich auszubilden. Das trägt Früchte.

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Wird das Ihrer Meinung nach auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen?

Viel zu wenig. In Deutschland ist immer das Problem, dass gefühlt zuerst acht Fußballligen kommen und dann die anderen Sportarten. Deutschland hat mit Leon Draisaitl einen der besten Spieler der Welt. Mehrere junge Spieler wurden bei der NHL-Auswahl (Draft) in der ersten Runde gezogen. Ich verstehe aber auch nicht, dass man in Deutschland seitens der Verantwortlichen nicht mehr Werbung für diese Entwicklung macht. Man macht doch eine gute Nachwuchsarbeit. Das sollte man den Menschen da draußen vermitteln.

Wie wichtig wäre es vor diesem Hintergrund, dass die DEL trotz Corona auf jeden Fall eine Saison spielt?

Meiner Meinung nach wäre es eine Katastrophe, wenn man nicht spielen würde. Wenn alle anderen Sportarten spielen, wäre es fatal für das Eishockey, nicht zu starten. Wenn man anfängt zu spielen und muss irgendwann aufgrund der Pandemie stoppen oder abbrechen, wäre das in Ordnung. Aber man muss jetzt zeigen, dass man spielen will. Es hängt so viel dran an den Profiklubs. Es gibt Sponsorenverträge, und da muss man eben auch geben und nicht nur nehmen. Auch die Spieler tragen ihren Teil dazu bei mit dem vorläufigen, teilweisen Gehaltsverzicht. Auch sie haben verstanden, dass es besser ist, weniger Geld zu haben, als überhaupt keine Klubs mehr, bei dem sie Geld verdienen könnten. Man muss jetzt zusammenstehen. Das größte Problem sehe ich aber beim Nachwuchs. Wenn die Profiliga nicht spielt, kann auch der Nachwuchs nicht spielen. Das wird nicht deutlich genug gesagt. Es geht nicht nur um die Profis, es geht um den gesamten Sport. Sportlichen Nachwuchs braucht unsere ganze Gesellschaft, das sieht man viel zu wenig.

Wird diese Diskussion in Schweden, wo Eishockey mehr Nationalsport ist, anders geführt?

Nein. Auch in Schweden dürfen im Moment nur 50 Leute in die Hallen, Fußball spielt auch ganz ohne Zuschauer. Wir diskutieren in Schweden auch, vielleicht etwas vernehmbarer, da Eishockey mehr im Blickpunkt steht. Und wir wissen in Schweden: Wenn der Sport über einen längeren Zeitraum wegfallen muss, dann haben wir später ganz andere Probleme. Heutzutage gibt es schon so wenig Schulsport. Wenn man in der Freizeit kaum mehr Sport treiben dürfte, hätte man in zwei bis drei Jahren ein massives Problem im Gesundheitswesen. Auch darüber muss man reden.

Wie gut tut es in dieser Situation, dass in knapp zwei Wochen der MagentaSport-Cup beginnt?

Ich bin wirklich sehr glücklich. Es wäre auch peinlich, wenn ich ein ganzes Jahr hier sein würde, ohne ein Spiel gemacht zu haben (lacht). Spaß beiseite, es ist sehr wichtig. Wir wollen auch zeigen, dass es geht. Es geht eben auch ohne Zuschauer, es muss einfach gehen. Natürlich verdienen alle weniger, aber es sind eben Corona-Zeiten.