Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KV) hat entschieden, dass die allgemeine Notfallpraxis in Bad Säckingen nicht mehr geöffnet wird. Dies teilt die KV am Freitag mit. Die Praxis am Meisenhartweg war Mitte Oktober von einem auf den anderen Tag geschlossen worden – bislang allerdings nur „vorübergehend“.
Die Ärztevereinigung habe das Urteil des Bundessozialgerichts im vergangenen Jahr zum Anlass genommen, den Bereitschaftsdienst neu zu konzipieren, heißt es in der Mitteilung vom Freitag. Der Kern liege dabei auf der Stabilisierung der Regelversorgung, also der wohnortnahen haus- und fachärztlichen Versorgung. Aktuell seien mehr als 1000 Arztsitze in Baden-Württemberg nicht besetzt, davon mehr als 900 Hausarztsitze.
Das neue Konzept des Bereitschaftsdienstes im Land werde Schritt für Schritt erarbeitet und umgesetzt. Es umfasse mehrere Bereiche, unter anderem wird die Struktur der bestehenden Notfallpraxen auf den Prüfstand gestellt, der Fahrdienst wird neu ausgerichtet und die Möglichkeiten der Telemedizin stärker genutzt, heißt es in der Mitteilung.
Protest der Bevölkerung bleibt ungehört
Erst am vergangenen Dienstag waren Bad Säckingens Bürgermeister Alexander Guhl und Jürgen Stadler, der stellvertretende Vorsitzende des Vereins Pro Spital, nach Stuttgart gereist, um bei der KV für eine zügige Wiedereröffnung der hausärztlichen Notfallpraxis im Bad Säckinger Gesundheitscampus zu werben. Mit 9000 Unterschriften hatten sie ein gewichtiges Argument dabei, das sie der stellvertretenden Vorsitzenden der KV-BW Doris Reinhardt übergaben.
Mit einer Mischung aus Empörung und Frustration reagiert Bürgermeister Alexander Guhl nun auf die Entscheidung wenige Tage später: „Die KV macht damit deutlich, dass ihr die Bürgerinteressen völlig egal sind.“ Und weiter: „Die Kassenärztliche Vereinigung kommt ihrem Auftrag nicht nach, die ärztliche Versorgung der Bevölkerung zu sichern. Die Politik muss sich überlegen, ob es die KV überhaupt noch braucht“, so Guhl. Die Kommunen seien faktisch schon jetzt verantwortlich, die Grundlagen für eine gute Ärzteversorgung zu schaffen, hätten aber keine rechtliche Kompetenz, etwas zu regeln.
Guhl: Frust über Schließung „nach Drehbuch“
Im Gespräch vor ein paar Tagen in Stuttgart hätten sich die Vertreter der KV zwar freundlich, in der Sache aber völlig stur und unflexibel gezeigt. „Das Gespräch war sowas von frustrierend“, so Guhl.
Guhl widerspricht vehement der Aussage der KV, dass es seit der Schließung zu keinen nennenswerten Engpässen in der Versorgung der Bevölkerung komme. „Seit ich Bürgermeister bin, war die Regelversorgung noch nie gewährleistet.“ Mit der Schließung der Notfallpraxis sei die Unterversorgung sogar noch verstärkt worden – zu Lasten des Rettungsdienstes und der Krankenhäuser – und natürlich der Patienten. Mit Hilfe des DRK kann er belegen, dass seit Oktober die Fahrten des Rettungsdienstes ohne Signal in ein Krankenhaus deutlich zugenommen haben. „Das liegt natürlich an der Schließung der Notfallpraxis, die ja ohnehin nur am Wochenende zur Verfügung stand,“ so Guhl. „Die KV nimmt sich dem Problem nicht an und sieht das alles nicht dramatisch.“
Der Ärztevereinigung wirft er vor, die Notfallpraxis „nach Drehbuch“ abgewickelt zu haben: Zuerst sei die Einrichtung unter dem Vorwand des – durchaus absehbaren – Urteils des Bundessozialgerichts geschlossen worden. „Von der KV gab es damals keinen Plan B“, kritisiert Guhl. Auch in der Folge seien keine kreativen Bemühungen für eine Wiedereröffnung erkennbar gewesen. Daran änderten weder die Bemühungen von Bürgermeistern und Landrat Martin Kistler, noch das starke Signal der 9000 Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern. „Das macht mich rasend“, beschreibt Guhl seine Wut.
Bedauern im Landratsamt
In Vertretung von Landrat Martin Kistler äußert sich Tina Schlick, Erste Landesbeamtin, zur Nachricht aus Stuttgart: „Die Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, die hausärztliche Notfallpraxis in Bad Säckingen zu schließen, bedauern wir sehr. Das Landratsamt hat sich mehrfach und bis zuletzt gegen die Schließung eingesetzt und seine Bedenken – unter anderem Überlastung der Notfallpraxis in Waldshut, längere Wartezeiten, eine zusätzliche Belastung des Rettungsdienstes und der Notaufnahme des Klinikums – gegenüber der KV geäußert, leider ohne Erfolg“, so Schlick. „Daher werden wir genau beobachten, wie sich die notärztliche Versorgung der Patientinnen und Patienten im Landkreis entwickelt und auch nicht zögern, erneut bei der KV vorstellig zu werden.“
SPD fordert Minister Lucha zum Handeln auf
Deutlicher wird die SPD-Bundestagsabgeordnete Rita Schwarzelühr-Sutter: „Eine dauerhafte Schließung der Notfallpraxis in Bad Säckingen durch die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) ist nicht hinnehmbar. Den Bürgern kann nicht zugemutet werden, noch weitere Strecken zum Arzt zu fahren oder noch länger auf einen Notfalltermin zu warten“, so Schwarzellühr-Sutter. „Die völlig übereilte Schließung zahlreicher Notfallpraxen war schon im Oktober letzten Jahres verwunderlich. Die KVBW berief sich auf eine Einzelfallentscheidung des Bundessozialgerichts. Anfang diese Woche wurde nun die Urteilsbegründung vom Gericht veröffentlicht, die unterstreicht, dass es sich um einen Einzelfall handelte und sich daraus keine abschließende Regel für alle Poolärzte ergibt. Vor diesem Hintergrund fällt der KVBW jede plausible Erklärung für ihre Entscheidung weg.“
Die SPD-Abgeordnete fordert Gesundheitsminister Lucha auf, die Sicherstellung der Versorgung für die Menschen im Landkreis Waldshut zu gewährleisten. „Es kann nicht sein, dass die Menschen hier am Hochrhein die Leidtragenden einer unzureichenden Gesundheitspolitik in Stuttgart sind. Nun ist das Gesundheitsministerium als Aufsichtsbehörde des KVBW am Zug!“
CDU sieht Berlin in der Pflicht
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner sieht dagegen die Bundesregierung in der Pflicht: Sie müsse dafür sorgen, die Schaffung einer sozialgesetzlichen Ausnahmereglung analog zu den Notärzten im Rettungsdienst auf den Weg zu bringen. Das wäre auch ein Schritt zur besseren Planbarkeit der Versorgung am Hochrhein.“
Die Ärzte bräuchten weniger Bürokratie, aber dafür mehr Zeit für die Patienten. „Ich bedauere sehr, dass die KVBW nach ihrer Prüfung verkündet, die Notfallpraxis Bad Säckingen nicht wieder zu eröffnen. Die KVBW geht derzeit von einer Gewährleistung der Versorgung der Bevölkerung im Rahmen des Bereitschaftsdienstes aus. Ich rate dennoch dazu, dass die Entwicklung rund um den ärztlichen Bereitschaftsdienst in unserer Region weiterhin detailliert verfolgt wird.“