Michael Neubert, Kai Oldenburg

Frau Sattler, wie haben Sie Jestetten während der dreimonatigen Grenzschließung erlebt?

Die Grenzschließung hat uns im Jestetter Zipfel hautnah spüren lassen, wie verflochten das Leben geworden ist. Ob man beruflich oder privat unterwegs ist, fast immer ist das mit einem Grenzübertritt verbunden. Durch die beiderseits geltenden Einreiseverbote mit stringenten Ausnahmen mussten wir Umwege in Kauf nehmen. Die Fahrt nach Singen via Zoll Thayingen war nicht möglich. Wir mussten über deutsches Gebiet über Dettighofen, Klettgau, das Wutachtal und den Randen fahren. Der grenzüberschreitende Bahnverkehr kam zum Erliegen, weil die Züge in Jestetten und Lottstetten nicht mehr gehalten haben. Die Einkaufstouristen aus der Schweiz blieben aus und die Geschäfte spürten einen massiven Kunden- und Umsatzrückgang. Wegen der rückläufigen Nachfrage wurden die Öffnungszeiten reduziert und das Frischeangebot hat gelitten. Die sonst belebte Ortsmitte war menschenleer und auf den Straßen waren wenige Autos und Fahrräder unterwegs. Auf der einen Seite habe ich die Stille als wohltuend empfunden und andererseits kam es mir unwirklich vor, so wenige Menschen zu sehen.

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Und jetzt? Ist alles so, wie vorher?

Nach meiner Wahrnehmung ist es wie zuvor.

Blickt man auf diese Entwicklung – ist Jestetten Ihrer Meinung nach zu stark abhängig von Schweizer Kunden?

Der Einzelhandel mit Supermärkten und Fachgeschäften ist die dominierende Wirtschaftsbranche in Jestetten. Die Schweiz gehört zum Einzugsbereich und dort liegt auch relevante Kaufkraft. Die Struktur der Wirtschaft ist maßgeblich für das Arbeitsplatzangebot und das Gewerbesteueraufkommen. Ist die Wirtschaft breit aufgestellt, macht das weniger anfällig für Krisen. Die besondere geografische Lage von Jestetten – von 29 Kilometer Gemarkungsgrenze bilden 22,5 Kilometer die Landesgrenze zur Schweiz – ist aber wie sie ist. Entlang von Grenzen sucht man sich hüben wie drüben die Vorteile. Die einen passieren die Grenze zum Arbeiten und sichern ihre Existenzgrundlagen und die anderen kommen zum Einkaufen oder nehmen Dienstleistungen in Anspruch. Dieser Austausch ist in Bewegung, weil es neben der konjunkturellen Entwicklung immer das Währungsrisiko gibt. Im Ergebnis lässt sich sagen, dass eine breit aufgestellte Wirtschaftsstruktur zu bevorzugen ist. Aber insgesamt bleibt festzuhalten, dass Jestetten in den letzten Jahrzehnten eine rundum prosperierende Entwicklung erfahren hat.

Ira Sattler, Bürgermeisterin von Jestetten. Bild: privat
Ira Sattler, Bürgermeisterin von Jestetten. Bild: privat

Wie überwachen Sie die Einhaltung der Maskenpflicht in den Discountern und Fachgeschäften?

Meine Ordnungsamtsleiterin hat die Einzelhandelsbetriebe und die Supermärkte aufgesucht und geprüft, ob die Infektionsschutzbestimmungen (Maskenpflicht, Beschränkung der Personenzahl nach Verkaufsfläche) eingehalten werden. Die Gemeinde als Ortspolizeibehörde hat klar kommuniziert, dass die Betriebe für die Einhaltung der Schutzmaßnahmen verantwortlich gemacht werden. Bei Verstößen wurden ordnungsrechtliche Maßnahmen bis zu Betriebsschließungen angedroht. Die Begehung vor Ort hat ergeben, dass die Unternehmen alles daran setzen, dass die Coronavorschriften eingehalten werden. Elektronische Zutrittskontrollen und Aufsichtspersonal gewährleisten die Einhaltung des Infektionsschutzes. Ich habe persönlich an einem Samstag drei Filialisten kontrolliert und nur einen Verstoß gegen die Maskenpflicht festgestellt. Die beanstandete Person kam der Maskenpflicht nicht nach und hat den Laden verlassen.

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In Jestetten gibt es Stimmen, die das Motto „Brücke zur Schweiz“ möglicherweise ändern, zumindest aber ergänzen möchten. Was halten Sie davon und leiten Sie daraus ab?

Es ist schon so, dass es in Teilen der Bevölkerung eine negativ aufgeladene Stimmung gegen die Schweizer gibt. Im Gemeinderat gab es zu keinem Zeitpunkt eine Diskussion darüber, den Slogan „Brücke zur Schweiz“ zu ändern. Wir leben gut mit unseren Schweizer Nachbarn.

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