Die Leidenschaft für sein Geschäft ist Karl Amann anzumerken, wenn er vom Hotel- und Gastronomiebetrieb Hirschen im Gaienhofener Ortsteil Horn spricht. „Der Hirschen ist mein Leben“, sagt er. Seit etwa 40 Jahren führen er und seine Frau Verena das Geschäft, 1981 übernahmen sie ihn von Amanns Eltern. Doch die Geschichte des Hirschen reicht noch viel weiter zurück: 1822 erhielt der damalige Betreiber das Schankrecht, in diesem Jahr wird daher das 200-jährige Jubiläum gefeiert.
Aus zwei Wirtsfamilien wird eine
Die Geschichte des Hirschen lässt sich als Familiengeschichte erzählen – um genau zu sein als eine Geschichte zweier Familien, die schlussendlich zu einer wurden. Denn bis etwa 1920 gehörte das Haus den Vorfahren von Verena Amann, geborene Bürgel. Sie führten die Wirtschaft – bis etwa 1878 übrigens gar nicht unter dem Namen Hirschen, sondern dem Namen Krone. Das ist in einem Buch zu lesen, das Karl Amann gemeinsam mit der Autorin Gaby Hauptmann anlässlich des 200-jährigen Jubiläums veröffentlicht hat.

1920 verkauften Verena Amanns Vorfahren schließlich den Hirschen. Er gelangte 1922 in den Besitz von August Ruggli, einem Fabrikarbeiter aus der Schweiz – und dem Großvater von Karl Amann. Dass mit der Hochzeit von Karl und Verena Amann der Kreis geschlossen wurde, sei so nicht geplant gewesen. Sie hätten von den geschichtlichen Hintergründen erst einmal gar nichts gewusst: „Das haben wir nachher recherchiert“, erinnert sich Karl Amann.
1927: Flammen zerstören den Hirschen
Veränderungen gab es in der Geschichte des Hirschen auch abseits der Namensänderung zahlreiche. Für eine besonders radikale sorgte im Jahr 1927 ein großes Unglück: Der Hirschen brannte bis auf die Grundmauern nieder. Vermutlich sei das Feuer in einer Rauchkammer entstanden, in der Speck geräuchert worden sei, erzählt Karl Amann. Unterkriegen ließ sich sein Großvater davon aber nicht. Schon Ostern 1928, rund ein Jahr nach dem Brand, wurde der Hirschen wieder eröffnet.
Erstes Gästehaus im Jahr 1936
Im Jahr 1936 wuchs der Hirschen, damals wurde das erste Gästehaus eröffnet. Für damalige Verhältnisse war es äußerst luxuriös mit zehn Doppelzimmern mit elektrischem Licht, einem Bad und fließend kaltem und warmem Wasser. „Er war schon ein Visionär“, sagt Karl Amann heute über seinen Großvater.
Aber nicht nur der Großvater habe viel vorgehabt: „Mein Vater war auch ein sehr umtriebiger Wirt.“ Er habe nicht nur das Gasthaus betrieben, sondern auch eine Metzgerei, die damals noch zum Hirschen gehört habe. Obwohl der Hirschen nach wie vor die Fleischwaren für den eigenen Gastbetrieb produziert und auch hausgemachte Wurstwaren im Gasthaus verkauft, gibt es die eigentliche Metzgerei mit einem Laden mittlerweile nicht mehr.
Der Hirschen wächst und wächst
Dafür haben Karl und Verena Amann mit dem Hirschen anderweitig expandiert. 2012 wurde das Hotelgebäude des Hirschen gebaut und 2019 eröffnete das Boardinghouse, in dem Apartments angeboten werden. Zum Jubiläumsjahr 2022 gibt es außerdem ein neues Gästehaus, das auch einen Wellnessbereich beinhaltet und am 22. Mai offiziell eröffnet werden soll. Wie Karl Amann berichtet, gibt es samt Boardinghouse mittlerweile 208 Betten.

„Wir verkaufen heute Ferien“, erklärt der Seniorchef, warum der Hotelbetrieb ausgebaut wurde. Die Höri locke Feriengäste an, die dort Erholung suchen, „und auch Wellness wird immer größer geschrieben“. Betriebe, die sich nicht an die Bedürfnisse anpassen, könnten auf dem Markt nicht existieren. „Wenn man nicht mit der Zeit geht, geht man mit der Zeit“, fasst Amann zusammen. Dennoch soll auch die Tradition nicht zu kurz kommen und im Wirtshaus weiter erhalten bleiben. Das Gebäude sei zwar in der Vergangenheit renoviert und umgebaut worden, grundsätzlich handle es sich aber noch um das gleiche wie schon 1927.
Eine Familie packt zusammen an
Aber nicht nur der Hirschen ist gewachsen, sondern auch die Familie: Als siebte Generation sind auch Karl und Verena Amanns Söhne Sebastian und Martin gemeinsam mit ihren Frauen Nina und Maria in den Betrieb eingestiegen. Ein Umstand, über den Karl Amann glücklich ist: „Ich habe eine sehr große Freude daran, dass wir unser 200-Jähriges in der Familie ausrichten können und dass es weiter geht durch meine Söhne.“

Das sei schließlich nicht selbstverständlich, zumal Sebastian Amann gelernter Metzgermeister und Martin Amann gelernter Maschinenbauer ist. Und auch die achte Hirschen-Generation wächst mit den Enkeln Emil, Matilda und Karl Friedrich heran – auch wenn sich erst noch zeigen muss, ob sie irgendwann einmal in den Familienbetrieb einsteigen wollen.
Als nächstes folgt die Übergabe
Für den Hirschen gibt es laut Karl Amann nach der Einweihung des neuen Gästehauses zum aktuellen Zeitpunkt keine neuen Erweiterungspläne mehr. Stattdessen sei die Übergabe des Geschäfts an seine Söhne als nächste große Änderung geplant. Wann es so weit sein soll, das lässt sich der 66-Jährige aber noch offen.