Es ist eine Entscheidung, die alle Konstanzerinnen und Konstanzer betrifft – und die für viele weitreichende Folgen haben könnte. Denn Grundsteuer bezahlt jede und jeder, ob als Eigentümer oder über die Nebenkosten als Mieter. Und da werden sich manche wohl schon bald die Augen reiben. Denn für gut ein Drittel der Konstanzer wird es ab dem neuen Jahr teurer. Zum Teil sogar drastisch, wie jetzt bekannt wurde.
Es ist ein Dokument mit einiger Sprengkraft: Die Stadtverwaltung hat nun einen Beschlussvorschlag vorgelegt, wie hoch der Hebesatz für die Grundsteuer in Konstanz künftig sein soll. Und mit dem Wert von 168 Punkten ist jetzt die Katze aus dem Sack. Diesen Faktor muss Konstanz ansetzen, um am Ende gleich hohe Einnahmen zu haben wie bisher. Denn auch wenn die Steuerlast unter den Bürgern neu verteilt wird, sollen die Gesamteinnahmen nach einem Konsens in der Stadt nicht deshalb steigen.
Dennoch ist jetzt schon zu erwarten, dass spätestens mit der ersten politischen Beratung des Themas eine lebhafte Debatte in der Stadt entstehen wird. Denn nun wird für die Bürger konkret, was das Bundesverfassungsgericht 2018 geurteilt hatte. Danach war die Steuerlast in verfassungswidrigem Ausmaß ungerecht verteilt, weil sie auf veralteten Grundstückswerten beruhte.
Wie kommt es zu den großen Verschiebungen?
Hauptursache ist, dass Grund und Boden in Konstanz besonders wertvoll sind. Wie die Verwaltung nun in der Beschlussvorlage mitteilt, liegt der vorgeschlagene Wert des neuen Hebesatzes innerhalb einer vom Land kommunizierten Spanne – wenn auch am oberen Rand. So soll der Hebesatz auf 168 festgelegt werden.
„Aus bekannten Gründen sind die Bodenrichtwerte in Konstanz vergleichbar sehr hoch“, heißt es in der Vorlage. „Dies führt dazu, dass die ab 2025 geltenden Grundsteuermessbeträge im Vergleich zur aktuellen Bewertung überproportional gestiegen sind. Der Hebesatz muss deshalb zur aufkommensneutralen Umsetzung deutlich gesenkt werden.“
Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer?
Wie die Stadtverwaltung schreibt, betrifft das in Konstanz 34.641 Grundstücke. Ausgehend vom neuen Hebesatz werden davon knapp 22.000 (63 Prozent) gleich oder niedriger mit der Grundsteuer belastet. „Rund 5.300 Grundstücke (also 15 Prozent) werden doppelt so hoch oder mehr belastet sein“, so die Verwaltung. Jedoch: Die Mehrheit dieser Grundstücke, ungefähr 4000, sind unbebaut. „526 Grundstücke sind mit mehr als dem 10-fachen belastet, 23 mit mehr als dem 100-fachen, fast alle unbebaut bzw. allenfalls mit einem Schopf o.Ä“, lässt sich der Vorlage entnehmen.
Ausnahmen seien zwei Mietwohngrundstücke, die im Eigentum des Landes stehen und zuletzt 1974 und 1980 bewertet wurden. Seitdem hat sich der Wert der Grundstücke deutlich erhöht. Das führt dazu, dass die Grundsteuer dort um das 282-fache beziehungsweise das 100-fache steigt. Das am meisten mehr belastete Privateigentum befindet sich in Litzelstetten, es handelt sich um ein Einfamilienhaus. Dort steigt die Grundsteuer auf das 67-fache.
Gibt es für die Veränderungen konkrete Kostenbeispiele?
Was die Kosten am Ende angeht, so gibt die Stadt hier einige Beispiele: „In Euro betrachtet sind rund 1.250 Grundstücke (3,6 Prozent) mit mehr als 1.200 Euro im Jahr mehr belastet. Rund 420 (1,2 Prozent) mit mehr als 2400 Euro im Jahr.“ Der höchste Sprung liege bei einem unbebautem Grundstück, hier steige die Grundsteuer von bisher 3450 Euro auf 32.840 Euro. Beim am meisten mehr belasteten Mietwohngrundstück steige die Grundsteuer von 4450 Euro auf 30.550 Euro, beim Geschäftsgrundstück von 52.170 Euro auf 78.000 Euro und beim Einfamilienhaus von 3.450 Euro auf 22.376 Euro.
Hält sich die Stadt an ihre eigenen Versprechen?
So mancher Konstanzer wird wohl aufgrund der Änderung vermuten, dass die finanziell klamme Stadt mit der Grundsteuer ihre Einnahmen durch die Hintertür erhöhen will. Dem erteilte OB Burchardt bereits kürzlich eine Absage. „Wir werden die Reform nicht nutzen für eine Erhöhung der Grundsteuer“, erklärte er bereits in der Vergangenheit. So oder so wäre es gesetzlich untersagt, diese Umstellung dafür zu missbrauchen. Für 2024 rechnet die Stadt Konstanz mit Grundsteuereinnahmen von 18,1 Millionen Euro.
Was sagt die Vertretung der Mieter und der Hausbesitzer?
Dass ebendiese „versteckte“ Erhöhung nicht erfolgt, begrüßt Winfried Kropp, Vorsitzender des Deutschen Mieterbund Bodensee. „Wir erkennen an, dass die Stadt Konstanz der Versuchung widerstanden ist, eine geheime Steuererhöhung zu machen“, gibt Kropp auf SÜDKURIER-Nachfrage an. „Allerdings erneuern wir unsere Kritik an der letzten Grundsteuererhöhung von Anfang 2024.“ Denn klar sei auch: „Die Grundsteuer ist eine Mietersteuer.“ Allgemein befinde das Land Baden-Württemberg mit dem neuen Verfahren aber auf dem richtigen Weg, hieß es noch. Ob dieses auch verfassungskonform ist, würden die Gerichte klären.
Und das tun sie aktuell auch bereits. Wie Matthias Schaubel, Vorstand von Haus & Grund Konstanz, angibt, sei der Landesverband in mehrere aktuelle Klagen involviert. Der Verband sieht die Art und Weise der Berechnung über die Bodenrichtwerte als verfassungswidrig an. „Die Musterprozesse laufen aktuell“, so Schaubel. In erster Instanz sei man aber vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg gescheitert. Die Begründungen liegen allerdings noch nicht vor. So oder so sei man sich aber sicher: „Grundstücke mit großem Grund und wenig Möglichkeiten zur Bebauung werden überbelastet“, so Schaubel.
Wie geht der Prozess politisch weiter?
Das Thema ist auch deshalb brisant, weil der Gemeinderat die Grundsteuer schon zum 1. Januar 2024 deutlich erhöht hatte. Zunächst kommt es am Donnerstag, 17. Oktober, in den Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss (HFK, ab 16 Uhr, Ratsaal, öffentlich). Die letztgültige Entscheidung hat der Gemeinderat eine Woche später zu treffen.
Viel Zeit haben die Stadträte dabei nicht: Aufgrund der grundlegenden Umstellung der Grundsteuer muss der sogenannte Hebesatz zum 1. Januar 2025 in Kraft treten. Für die Bürger wird es wohl erst konkret, wenn sie den Steuerbescheid oder die erste Nebenkostenabrechnung nach der Neuberechnung haben. Für manche dürfte es ein böses Erwachen werden.