Im Milchwerk fand erstmals eine Veranstaltung statt, die zuvor rein den Männern der Narrizella-Narrenzunft vorbehalten war. Beim „Närrischen Geplauder“ durften jetzt auch weibliche Besucher am närrischen Spaß teilnehmen. Dabei war die Idee aus einer Notlösung heraus entstanden. Wie in so vielen anderen Lebensbereichen auch hat die Corona-Pandemie dafür gesorgt, dass man sich in Narrenzunft Gedanken darüber gemacht hat, wie und in welchem Rahmen Veranstaltungen überhaupt noch stattfinden können. Am sinnvollsten schien es am Ende, die beiden bisher getrennt voneinander stattfindenden Frühschoppen zusammenzulegen.

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Wie sehr die Pandemie das alltägliche Leben und im speziellen die Narretei einschränkt, wurde in zahlreichen Bemerkungen deutlich, die aus der Bütt heraus vorgetragen wurden. Am sichtbarsten wurde die Problematik durch das Fernbleiben des gerade erst in sein Amt gewählten Oberbürgermeisters Simon Gröger. Dieser hatte nach Aussage von Zunftpräsident Martin Schäuble seine Absage damit begründet, dass ihm zu viele Menschen bei der Veranstaltung zusammenkämen.

Ungewohnter Anblick auf dem Männerfrühschoppen: Zwei Frauen bei der Fastnachtsveranstaltung im Milchwerk. Deswegen hieß die ...
Ungewohnter Anblick auf dem Männerfrühschoppen: Zwei Frauen bei der Fastnachtsveranstaltung im Milchwerk. Deswegen hieß die Veranstaltung jetzt ja auch Närrisches Geplauder. | Bild: Jarausch, Gerald

„Das ist natürlich schlecht und schon einmal ein Minuspunkt für den OB“, frotzelte Schäuble bei seiner Begrüßung der Gäste. Dabei hat es der neue oberste Vertreter der Stadt ohnehin nicht ganz leicht bei den Narren: „Scho wieder ein Schwob, ne Studierte, der keine Ahnung von Fasnet hat“, fuhr der Zunftpräsident fort.

Doppelt hält besser: Narrenrat Thomas Nöken mit Mund-Nasen-Schutz und zusätzlicher Narrennase.
Doppelt hält besser: Narrenrat Thomas Nöken mit Mund-Nasen-Schutz und zusätzlicher Narrennase. | Bild: Jarausch, Gerald

Einige Tische blieben leer

Insgesamt waren rund 200 Menschen zu der Veranstaltung in das Milchwerk gekommen, das man eigens angemietet hatte, damit die Besucher den nötigen Abstand zueinander einhalten können beziehungsweise eine entsprechend große Anzahl dem närrischen Geplauder bewohnen konnte. Gleichwohl blieben insbesondere im hinteren Saalbereich und an den Seiten teilweise die Tische unbesetzt. Offenbar teilten etliche Narren die Meinung des Oberbürgermeisters, dass Besuche größerer Veranstaltungen derzeit nicht unbedingt ratsam sind.

Der guten Stimmung im Saal tat das indes keinen Abbruch. Alle, die den Weg ins Milchwerk gefunden hatten, waren gewillt, einen unterhaltsamen und fröhlichen Vormittag zu verbringen. Und genau den gab es dann auch. Insgesamt sechs Büttenreden waren vorbereitet worden. Manuela Hettig und Benni Bromm, die beide seit Jahren durch die jeweiligen Veranstaltungen ihres Geschlechts führen, moderierten die Veranstaltung.

Gelungene Premiere in der Bütt: Marco Braun am Mikrophon.
Gelungene Premiere in der Bütt: Marco Braun am Mikrophon. | Bild: Jarausch, Gerald

Redner widmen sich vielen Themen

Den Auftakt machte am Sonntag ein Neuling in der Radolfzeller Bütt. Marco Braun, der bisher oftmals für die Technik bei Veranstaltungen tätig war, traute sich in das Fass der Narrizella. Seine Feuertaufe erlebte er durchaus mit Bravour. In seinen sauber formulierten Zeilen durchforstete er die Ereignisse der zurückliegenden Monate. So kamen darin von Corona über die OB-Wahl, den gescheiterten Amtsinhaber Martin Staab bis hin zur Bundestagswahl und der Impfpflicht wohl praktisch fast alle zentralen Ereignisse des Jahres vor.

Auf Marco Braun folgte Romy Bromma in der Bütt. Sie widmete sich in launigen Zeilen über missglückte Geschenkideen von Männern und konkret über einen wenig erquicklichen Besuch in einem Schönheitssalon.

Führten mit viel guter Laune gemeinsam durch das närrische Geplauder: Manuela Hettig und Benni Bromma.
Führten mit viel guter Laune gemeinsam durch das närrische Geplauder: Manuela Hettig und Benni Bromma. | Bild: Jarausch, Gerald

Erheblich gesellschaftskritischer ging es im Beitrag von Christoph Zeiser zu. Der nahm sich in deutlichen Worten Corona-Leugner, Spaziergänger und Aluhut-Träger vor. Wie schon aus früheren Beiträgen bekannt, führte er trotz scharfer Worte eine feine Klinge, die ihm so manches Mal bei seiner durchaus ernst gemeinten Kritik reichlich Beifall einbrachte.

Feine Klinge in der Bütt: Christoph Zeiser begeistert die Zuschauer.
Feine Klinge in der Bütt: Christoph Zeiser begeistert die Zuschauer. | Bild: Jarausch, Gerald

Etwas bissiger fiel erwartungsgemäß der Redebeitrag von Egon Kenke aus, den Benni Bromma als „kernig, bissig und ehrlich“ beschrieb. Darin thematisierte er die Radolfzeller OB-Wahl. Sein Fokus lag nicht nur auf den Versäumnissen in der achtjährigen Amtszeit, sondern auch auf den Problemen, die sich daraus für die Zukunft ergeben. In jedem Fall wünsche er dem neuen OB „immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel“.

Egon Kenke fand die gewohnt scharfen Worte zur Radolfzeller Lokalpolitik.
Egon Kenke fand die gewohnt scharfen Worte zur Radolfzeller Lokalpolitik. | Bild: Jarausch, Gerald

Den Abschluss der Büttenreden übernahmen zwei Altmeister der Zunft. Nach dem Ausfall weiblicher Rednerinnen stieg kurzerhand Wolfgang Drobig in die Bütt. Er hatte zahlreiche Ratschläge für Oberbürgermeister Simon Gröger vorbereitet, die dieser nun nicht gehört hat. Darin hätte der OB unter anderem erfahren können, dass es in Radolfzell Hansele und nicht Hänsele heißt. Oder dass er besser immer Fleischküchle für die Narrenmusiker parat halten sollte. Und beim Umzug könne er durch üppiges Verteilen der Gutsele „auch dem kleinsten Kinde beweisen, dass Sie ein guter Schwob sind“, wie Drobig wissen ließ.

Trinken in Zeiten von Corona: Schnell die Maske gelupft für ein Schluck Bier: Bütt-Redner Lothar Rapp.
Trinken in Zeiten von Corona: Schnell die Maske gelupft für ein Schluck Bier: Bütt-Redner Lothar Rapp. | Bild: Jarausch, Gerald

Überraschung mit neuem Lied

Sein ehemaliger Kompagnon auf der Bühne, Lothar Rapp, bildete den Abschluss des gemischten Vormittags. Er brach noch einmal eine Lanze für die geschlechterübergreifende Veranstaltung und lobte die Frauen „als den Hauptgewinn für den Mann“. Mehr Lob durfte man auf einem „ehemaligen Männerfrühschoppen“ nicht erwarten.

Eine abschließende Überraschung besorgten dann noch Thomas Kauter, Thomas Kaschner und Martin Schäuble. Sie spielten eine Neukomposition von Michael „Fisch“ Maisch, die das Hausherrenlied und den Narrenmarsch der Narrizella vereint.

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