Ein 62-Jähriger aus Pfullendorf musste sich wegen Gefährdung des Straßenverkehrs vor dem Amtsgericht Stockach verantworten. Ihm wurde zur Last gelegt, im Dezember des vergangenen Jahres mit seinem Auto ein Wendemanöver auf der Autobahn 98 bei Stockach-West ausgeführt zu haben und dadurch grob verkehrswidrig und rücksichtlos gewendet zu haben.
Wendemanöver trotz Gegenverkehr
Der Angeklagte soll im Dezember 2020 auf der aus Richtung Überlingen in Richtung Stuttgart unterwegs gewesen sein, hieß es im Strafbefehlsantrag. Bei Stockach-West soll der 62-Jährige dann seinen Wagen auf der Autobahn gewendet haben und in falscher Fahrtrichtung auf der aus seiner Sicht rechten Spur, also direkt an der Mittelleitplanke entlang, unterwegs gewesen sein. Mit dem Wendemanöver habe er gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen.
Zwei der Zeugen seien gleichzeitig gemeinsam in einem Fahrzeug in richtiger Fahrtrichtung unterwegs gewesen. Ein Zusammenstoß habe nur verhindert werden können, weil der Fahrer schnell reagiert habe und zwischen zwei Lastwagen einfädeln habe können. Für den Angeklagten sei es nicht nur durch diesen Umstand erkennbar gewesen, dass er auf dieser Straße nicht hätte wenden dürfen. Er habe somit eine Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen und grob verkehrswidrig sowie rücksichtlos gehandelt, lautete der Strafbefehlsantrag.
Eine Dolmetscherin muss übersetzen
Der Angeklagte, der kein Deutsch sprach, blieb die gesamte Verhandlung über sehr still. Er habe seiner Aussage bei der Polizei nichts hinzuzufügen, übersetzte seine Dolmetscherin für ihn. Laut eigenen Aussagen war er am besagten Tag zusammen mit seiner Schwester und einem Arbeitskollegen im Auto nach der Arbeit auf dem Weg nach Überlingen gewesen.
Er sei dabei bei Stockach auf die Autobahn in Richtung Überlingen aufgefahren. Wo genau konnte er nicht sagen. Aufgrund der Aktenlage sah es laut Richterin Julia Elsner allerdings so aus, als sei das Auto aus Richtung Überlingen gekommen, bevor der Mann gewendet habe.
„Dann kam ein Licht auf uns zu, ein Geisterfahrer.“
Dies schilderten auch die beiden Zeugen, die laut ihrer Aussagen bei starkem Regen- und Schneewetter am besagten Dezembertag von Ludwigshafen in Richtung Singen unterwegs gewesen waren. Bei mäßigem Verkehr habe man mehrere Lastwagen mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 110 Kilometern pro Stunde überholt. „Doch dann kam ein Licht auf uns zu, ein Geisterfahrer“, sagte ein Zeuge in der Verhandlung. „Aber das entgegenkommende Fahrzeug ist langsam gefahren, und nah an der Leitplanke entlang. Das war unser Glück. Aber ich hatte natürlich eine Schrecksekunde.“
So hatte man im letzten Augenblick eine Kollision vermeiden können und zwischen zwei Lastwagen einscheren können. Danach seien die beiden Zeugen mit ihrem Fahrzeug rechts rangefahren und hätten im Rückspiegel ihres Wagens beobachtet, wie der Geisterfahrer erneut gewendet habe. Danach hätten sie das Kennzeichen notiert, Fotos gemacht und der Polizei gemeldet.
Übersetzungsfehler im Auto
Wie sich durch die Aussagen der beiden Mitfahrer des Angeklagten herausstellte, sei es wohl durch einen Übersetzungsfehler zu dem Wendemanöver gekommen. So habe der deutsche Beifahrer wohl gesagt, dass man in falscher Richtung unterwegs sei. Die Schwester des Angeklagten, die auf dem Rücksitz saß, habe übersetzt, dass dieser den Wagen wenden müsse.
Der 62-Jährige habe sie daraufhin beim Wort genommen und das Fahrzeug prompt auf der Autobahn gewendet. Doch bereits nach wenigen hundert Metern habe der Angeklagte den Fehler bemerkt und erneut umgedreht.
Der Angeklagte entschuldigt sich
Den Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung erkannten die drei Insassen schnell. Bereits wenig später stellte sich der 62-jährige Fahrer der Polizei. „Wenn man einen Fehler gemacht hat, muss man dafür einstehen und ihn zugeben“, übersetzte die Dolmetscherin die Worte des Angeklagten. Bei den Zeugen, die im entgegenkommenden Wagen gesessen hatten, entschuldigte er sich durch seine Verteidigerin.
Warum das keine Straftat war
Aufgrund all dieser Umstände, und weil der Angeklagte keinerlei Vorstrafen besaß, kam Richterin Julia Elsner zu dem Schluss, dass es sich bei dem Wendemanöver auf der Autobahn lediglich um eine Ordnungswidrigkeit handelte. Denn die Frage des Verfahrens sei gewesen, ob der Angeklagte grob verkehrswidrig und rücksichtslos gewendet habe und es sich somit um einen Straftatbestand gehandelt hätte. Dies konnte im Lauf der Verhandlung nicht bestätigt werden. Damit fehlte die Grundlage einer strafrechtlichen Verurteilung nach Paragraf 315c „Gefährdung des Straßenverkehrs“ des Strafgesetzbuchs.
Das Urteil
Der 62-Jährige wurde deshalb wegen fahrlässigem, verbotswidrigem Wenden auf Autobahnen zu einer Geldbuße in Höhe von 90 Euro verurteilt. Er trug außerdem die Kosten des Bußgeldverfahrens. Er durfte seinen Führerschein behalten.
Es lag in diesem Fall laut Julia Elsner eine unbewusste Fahrlässigkeit vor, denn der Angeklagte habe unbewusst verkannt, dass er sich auf der Autobahn befunden habe. Für eine härtere Verteilung aufgrund von Rücksichtslosigkeit hätten weitere Motive wie Leichtsinn, Bedenkenlosigkeit und eine verkehrswidrige Gesinnung vorliegen müssen. Dieser Fall habe erneut gezeigt, warum der Paragraf 315c einer der schwierigsten Paragrafen sei, so die Richterin. Hierbei sei die Feststellung, ob jemand grob verkehrswidrig und rücksichtlos gehandelt habe, entscheidend für die Verurteilung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit.