Um kurz nach 15 Uhr klicken die Handschellen: Zwei Justizvollzugsbeamte führen den Hausverwalter ab, der zahlreiche Eigentümergemeinschaften in Villingen-Schwenningen, Furtwangen und anderen Gemeinden im Kreis um fast 700 000 Euro gebracht hat.
Untreue in 90 Fällen
Wenige Augenblicke zuvor hat Richter Christian Bäumler das Urteil des Schöffengerichts verkündet: Drei Jahre und drei Monate Haft für 90 Fälle der Untreue, falsche Versicherung an Eides statt und Subventionsbetrug, drei Monate weniger als von der Staatsanwaltschaft gefordert.
Haftbefehl beantragt
Beim Haftbefehl schloss sich das Gericht der Forderung der Staatsanwältin an. Sie hatte „hier und heute“ Haft beantragt, da sämtliche Stabilisatoren im Leben des Angeklagten weggebrochen seien. So sei er nicht nur seinen Job als Finanzbeamter los; auch sein Haus wurde zwangsversteigert, seine aus der Ukraine stammende Ehefrau sei ebenfalls weg.
In den Stunden zuvor hatte das Gericht noch zwei umfangreiche Zeugenaussagen gehört. Zum einen die Rechtsanwältin Harriet Stefani, die mehrere Eigentümergemeinschaften vertritt, zum anderen den ermittelnden Kriminalhauptkommissar der Kriminalpolizei Rottweil.
Endlose Liste
Die beiden hatten weitere Puzzlestücke zu dem komplexen Fall hinzugefügt, der nicht weniger als 4000 Seiten Aktenmaterial bei der Staatsanwaltschaft füllt. Eine schier endlose Liste an Barabhebungen, Umbuchungen auf andere Eigentümer- und Privatkonten, hatte der Kriminalbeamte vorgetragen.

Er hatte die Kontenübersichten ab dem Jahr 2015 akribisch untersucht und in drei Kategorien eingeteilt vorgetragen: Barentnahmen, Veruntreuung durch Überweisung auf Privatkonten und Veruntreuung durch Geldtransfers zwischen den Konten der Eigentümergemeinschaften. Den Schaden allein beim letzten Punkt bezifferte der Kriminalbeamte mit 46 000 Euro.
Überweisungen auf Privatkonten
Insgesamt 146 000 Euro wurden durch Überweisungen auf die Privatkonten des Verwalters veruntreut. Alleine von einer Eigentümergemeinschaft in der Villinger Wöschhalde überwies der Verwalter den Bankunterlagen zufolge innerhalb eines Tages 95 000 Euro auf sein Privatkonto. In der Wohnanlage am Eisweiher wurden fast 90 000 Euro auf ein Konto einbezahlt, das unter dem Namen einer Wohneigentümergemeinschaft (WEG) geführt wurde, die gar nicht existiert. 34 Barabhebungen in Höhe von insgesamt 89 538 Euro wurden hier verzeichnet.
Mit anderen Überweisungen zwischen den einzelnen WEG wiederum hatte der Finanzbeamte offenbar versucht, entstandene Lücken zu stopfen. Von „Wiedergutmachung“ könne an dieser Stelle kaum die Rede sein, so die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. „Die Einzahlungen waren nicht sein Geld. Es ist keine Wiedergutmachung, wenn ich einem etwas wegnehme und es dem anderen in die Hand drücke.“ Der Verwalter habe billigend in Kauf genommen, dass den WEG Schaden entstehe.
Kein Wort des Bedauerns
Was mit dem Geld passiert ist, konnte auch am letzten Verhandlungstag nicht geklärt werden. Der Angeklagte, ansonsten eher weit- und abschweifend in seinen Ausführungen, äußerte sich dazu nicht. Ein Wort des Bedauerns, eine Entschuldigung – auch das Fehlanzeige. Am ersten Verhandlungstag hatte er die Scheidung von seiner ersten Frau im Jahr 2011 als Grund für finanzielle Schwierigkeiten ins Feld geführt.
Das Geld sei ja nicht „in einem Loch“ verschwunden, hatte sein Verteidiger gesagt. Es gebe keine Hinweise auf Spielsucht oder einen ausschweifenden Lebensstil. Gleichwohl konnte auch er nicht sagen, wofür sein Mandant dem Großteil der fast 700 000 Euro verwendet hat.
„Unglückliche Verkettung“
Er hatte eine Bewährungsstrafe von zwei Jahre gefordert, da der Finanzbeamte „mehr als ein halbes Jahrhundert als anständiger Mensch“ gelebt habe. Die finanziellen Schwierigkeiten seien eine unglückliche Verkettung, ausgehend von der ersten Scheidung.
Er hatte beantragt, den Haftbefehl auszusetzen. „Er hätte sich längst absetzen können“, so der Verteidiger. Mit seiner Qualifikation als Finanzbeamter im gehobenen Dienst könne er arbeiten und zumindest kleine Beträge abbezahlen.
„Einmal Betrüger, immer Betrüger“Richter Christian Bäumler in seiner Urteilsbegründung
Das Schöffengericht sah das anders. „Einmal Betrüger, immer Betrüger“, so die deutlichen Worte von Richter Christian Bäumler in der Urteilsbegründung. Er glaube nicht, dass der 63-Jährige aus seiner Persönlichkeitsstruktur herauskomme. Das, was ermittelt werden konnte, seien nur die Taten der vergangenen fünf Jahre gewesen, da im Strafrecht die Verjährungsfrist bei Untreue fünf Jahre beträgt.
„Wir sehen hier das Gesamtgeschehen, und dieser Prozess ging schon zehn Jahre“, so der Richter. Der Angeklagte habe „alles verloren und wird noch mehr verlieren“. Sobald das Urteil rechtskräftig wird, verliert er seinen Beamtenstatus und damit auch seine Pensionsansprüche. Den Eigentümern könne man keinen Vorwurf machen, auch nicht den die Bücher prüfenden Verwaltungsbeiräten.
Kenntnisse ausgenutzt
„Die sitzen einem Profi gegenüber, dem sie vertrauen. Der Angeklagte hat seine Kenntnisse genutzt, um damit durchzukommen.“ Dafür muss der Mann nun ins Gefängnis. Zusätzlich wird die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 577 000 Euro angeordnet. Auch die Verfahrenskosten muss der Angeklagte tragen. das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.