Freitag zwitschert laut. „Das ist unser Spatz“, sagt Clemens Menge. Er geht in die Küche. Dort stehen zwei Vogelkäfige, in einem sitzen drei Wellensittiche, in einem anderen flattert aufgeregt Spatz Freitag. „Er ist als nacktes Küken an einem Freitag bei uns auf die Terrasse gefallen“, erklärt Menge. Nun hat Freitag sein neues Nest in der Wohnung der Familie Menge im Königsbau gefunden.

Viele Einwohner auf wenig Raum
Neben den zahlreichen Spatzen haben sich im Königsbau auch 6507 Menschen ihr Nest gebaut. Und das auf einem recht kleinen Areal. Zwischen dem Universitätswald im Norden, der Rebbergstraße/Uhlandstraße/Hohenweg im Süden und im Osten der Straße Zur Friedrichshöhe und im Westen das Pfeifferhölzle sowie der Bismarckturm leben die Einwohner des Königsbaus.
Viel Platz ist das nicht. Flächenmäßig ist der Königsbau einer der kleinsten Stadtteile in Konstanz. Er hat eine Fläche von 108,01 Hektar. Nur das Paradies (63,14 Hektar) und Staad (94,21 Hektar) sind kleiner. Aber dafür sind sie nicht so bevölkerungsreich wie der Königsbau.

Dort leben pro Hektar 106,4 Menschen. Im Paradies sind es dagegen lediglich 98,8 pro Hektar. In Staad ist es deutlich luxuriöser: Dort leben auf einem Hektar nur 25,5 Menschen. Aber mal abgesehen davon, dass es man im Königsbau im Verhältnis zu Konstanz recht kuschelig lebt: Wer sind die Menschen, die in diesem Quartier leben? Diese Frage kann ein Blick in die Stadtteilprofile 2022 der Stadt Konstanz beantworten. Laut diesen Statistiken sind Max und Erika Mustermann vom Königsbau 37 Jahre alt. Max und Erika Mustermann tragen zufällig den gleichen Nachnamen, verheiratet sind sie nicht. Ihr Einkommen ist eher durchschnittlich. Sie sind nicht reich, aber auch nicht arm.
Soweit die Statistik. Aber trifft das auch wirklich zu? Clemens Menge findet, dass seine Nachbarn ziemlich repräsentativ für die Menschen im Königsbau sind. „Wir haben hier alles“, sagt er. Das fängt schon beim Alter an. Er selbst ist 44 Jahre, also älter als der Durchschnitt.
„Neben uns ist eine private Studenten-WG“, sagt er. Außerdem sei er vor kurzem in sein Haus eine Familien mit kleinen Kindern eingezogen. Gegenüber davon ein Ehepaar, dass bald Nachwuchs erwartet. „Bis vor Kurzem hat hier noch ein ehemaliger Dozent gewohnt“, berichtet Menge. Allerdings sei dieser nach dem Tod seiner Frau in eine Seniorenanlage umgezogen.
Im Königsbau wohnen viele Singles
Dort im Haus von Menge gibt es wirklich alles: Eben auch jeden Familienstand. Menge selbst ist schon lange verheiratet. Das sind im Königsbau 37,2 Prozent. 1997 der über 18-Jährigen haben den Bund der Ehe geschlossen. Schon wieder geschieden sind nur 8,2 (440 Personen), verwitwet 4,6 Prozent (248 Personen). Weit mehr gehören dem Stand der Ledigen an. 2681 Bürger gelten als ledig. Wirklich wundern tut sich Menge bei dieser Zahl nicht. „Wenn man bedenkt, dass hier viele Studenten wohnen“, versucht er diesen Umstand zu erklären.
Tatsächlich wohnen in Königsbau 1497 Personen (23 Prozent), die zwischen 18 und 25 Jahren sind. Schaut man sich die Bevölkerungspyramide für das Gewann an, schlägt hier die Zahl deutlich aus. In ganz Konstanz wohnen prozentual gesehen die meisten Mittzwanziger im Königsbau. In ganz Konstanz beläuft sich die Gruppe der 18- bis 25-Jährigen auf 12.035 (14 Prozent).
Ein Grund dafür sind sicherlich die vielen Wohnheime des Studentenwerks Seezeit. In fünf Wohnanlagen in der Jakob-Burkhardt- und Sonnenbühlstraße bietet das Studentenwerk 1017 Bettplätze an. „Und dazu kommen noch die vielen privaten WG‘s“, sagt Menge. Ja, das Viertel sei ziemlich jung. „Was sicher auch den Schnitt senkt: Hier gibt es mittlerweile viele junge Familien“, sagt Menge.

Und auch das lässt sich durch Zahlen belegen: Laut der Statistiken der Stadt leben im Königsbau 1102 Kinder und Jugendliche (bis 18 Jahre). Das entspricht einer Quote von 16,9 Prozent – für ganz Konstanz liegt die Quote bei 14,4 Prozent. Dabei ist die Geburtenquote genau im Konstanz Schnitt: Auf 1000 Einwohner kommen 9,4 Neugeborene (61 Babys). Im Vorjahr war das noch anders. Da gab es nur 6,6 pro 1000 Einwohner (41 Babys).
Es gibt viele Neubauprojekte im Viertel
Dass sich der Stadtteil verjüngst, sei eine Folge der Verdichtung des Wohnraums. Einige Neubauten sind im Bereich Jakob-Burkhardt, Sonnenbühl Ost, Pfeifferhölzle und im Kuhmoosweg/Moorweg entstanden. „Ich glaube, viele Paare ziehen in den Königsbau, wenn sie Nachwuchs bekommen“, sagt er. Der Stadtteil sei sehr familienfreundlich, die Wohnungen recht groß und oft habe man auch einen kleinen Garten. Perfekt für Familien.
Das war aber nicht immer so. In vielen Köpfen der Konstanzer, die nicht im Königsbau wohnen, ist ein Begriff hängen geblieben: das Tal der fliegenden oder langen Messer. Auch Clemens Menge fällt dieser Spitzname sofort ein. Gemeint ist damit das Viertel um das Pfeiferhölzle. „Das war schon ein sozialer Brennpunkt“, sagt er. Aber das sei nun schon lange nicht mehr so.

Das Viertel mutet heute fast schon spießig an. Die in den 1960er-Jahren errichteten Häuser sind saniert und modernisiert worden. Gepflegte Vorgärten runden das Bild ab. Ein Neu-Konstanzer würde sicher nicht auf die Idee kommen, dass hier mal ein sozialer Brennpunkt war.
Ein Quartier der starken Unterschiede
Noch immer ist der Königsbau geprägt durch starke Gefälle und Unterschiede. Auf der einen Seite gibt viele Hochhäuser, auf der anderen Seite kleine Bungalows und Reihenhäuser. Einerseits gibt es viele Studenten, anderseits gibt es viele Gutverdiener im Quartier.
Das zeigt sich auch in der Kaufkraft, die sich vor allem aus dem Einkommen, Rente, Pension und anderen finanziellen Einnahmen generiert. Sie liegt im Königsbau leicht unter dem Schnitt für Konstanz. Dort liegt der Index bei 100, im Königsbau bei 99,3. Sie hat sich im Vergleich zum Vorjahr gesteigert. Da lag sie im Königsbau noch bei 94,8.
Menge ist überrascht. Er hätte im ersten Moment gedacht, dass die Kaufkraft in seinem Stadtteil deutlich höher ist. „Aber ich habe einen Fehler gemacht. Ich habe die Studenten nicht bedacht“, sagt Menge. Denn das Einkommen von Studenten ist meist nicht sehr hoch. Wer den BaföG-Höchstsatz bezieht, hat im Monat 934 Euro zur Verfügung.
Dann fällt Menge noch der neue Wohnblock in der Jacob-Burckthardt-Straße ein, den die Wobak gebaut hat. Dort gibt es seit einiger Zeit sozialgeförderten Wohnungsbau. Das drücke natürlich auch die Kaufkraft. „Es ist wirklich spannend, wie sich der Königsbau verändert hat“, sagt Menge. Wie wird es dort weitergehen? Das werden vielleicht bald die Spatzen von den Dächern pfeifen. Einer von ihnen heißt vielleicht Freitag.