Eine zentrale Herausforderung der Energiewende ist es, große Mengen Energie zu speichern. Bei Bedarf soll sie zeitnah wieder verfügbar sein. Am Besten günstig und ohne dass dabei zu viel Energie verloren geht. Die aktuelle Energiekrise hat die Suche nach Lösungen für dieses Problem wieder ganz nach oben auf die Agenda von Politik, Wirtschaft und Forschung gehievt.
Forscher weltweit entwickeln daher laufend neue Konzepte. Bislang ist aber kaum ein Ansatz in Sicht, der allen Anforderungen entspricht und den gewaltigen Speicherbedarf zeitnah decken könnte.
Akkus zum Beispiel werden stets leistungsfähiger und auch günstiger. Aber als XXL-Speicherlösung in der Größenordnung von großen Pumpspeicherkraftwerken sind sie bis heute kaum denkbar. Bei großen Pumpspeicherkraftwerken hapert es zwar nicht am Wirkungsgrad und an Kosten, vielmehr mangelt es hierzulande an geeigneten Standorten und Flächen.
Die Wasserstofftechnologie steckt noch in den Kinderschuhen und glänzt auch nicht in Sachen Wirkungsgrad. Es gibt auch Schwungradspeicher, chemische Verfahren oder Wärmespeicher. Geforscht wird fieberhaft an vielen Stellen, während im Schwarzwald seit zwölf Jahren ein innovatives Konzept in der Schublade schlummert: Gravity Storage.
Die Hubspeicher-Idee
Die Idee stammt von Eduard Heindl, der an der Hochschule Furtwangen lehrt und in den vergangenen Jahren immer wieder mit unkonventionellen Ideen für Aufmerksamkeit gesorgt hatte.
Das Prinzip seiner Idee ist einfach: Riesige aus dem Gestein ausgeschnittene Zylinder werden mithilfe von Wasser unter enormem Druck angehoben. Die Lageenergie des Zylinders nimmt zu.
https://www.youtube.com/watch?v=ObvQFX6noDw
Tagsüber produzieren zum Beispiel Photovoltaikanlagen Strom, um Wasser unter einen Gesteinszylinder zu pumpen. Dieser wird dadurch angehoben, um Energie zu speichern.
Bei Bedarf kann das Wasser wieder abgelassen werden. Dabei erzeugen Generatoren Strom. „Der Wirkungsgrad liegt wie bei Pumpspeicherkraftwerken bei etwa 80 Prozent“, erklärt Eduard Heindl.
https://www.youtube.com/watch?v=L_-ZAq-_HdU
Was seit der Idee geschehen ist
Aber warum ist bis heute keine solche Anlage in Betrieb? 2015 hatte Heindl die Firma Heindl Energy gegründet, um das Projekt weiter voranzutreiben und Kapital für Weiterentwicklung sowie den Bau einer Versuchsanlage zu sammeln. Gutachten, Analysen sowie eine Laboruntersuchung der seitlichen Dichtungen – diese sind letztlich entscheidend, da sie enormem Druck standhalten und gleichzeitig flexibel sein müssen – liefen parallel dazu. Heindls Fazit zur Machbarkeit: „Der Bau ist heute technisch möglich und auch die Dichtungen funktionieren.“
Nach langer Suche habe man auch einen Standort für eine Testanlage in Saudi Arabien gefunden. Doch auch dieser Vorstoß kam am Ende nicht zustande. Ebenso seien Forschungsanträge in Deutschland und der EU abgelehnt worden. „Irgendwann war dann das Geld alle“, blickt Heindl in der Zeit zurück.
Gravity Storage lief auf kleiner Flamme weiter und wurde zuletzt von einem Hamburger Investor übernommen. Damit ist aber noch kein Schlussstrich unter seine Idee gezogen, betont Heindl. Noch immer halte man Ausschau nach Investoren. Corona hatte diese Bemühungen zuletzt eingeschränkt. Durch die Energiekrise sei das Interesse wieder gestiegen. Von einem Durchbruch konnte Heindl aber noch nicht berichten.
Potenzial der Hubspeicher
In einer Doktorarbeit habe man alle verfügbaren Daten zu bestehenden Energiespeichern über sieben Jahre hinweg ausgewertet. „Die Stromgestehungskosten liegen in Deutschland bei ungefähr fünf Cent pro Kilowattstunde“, rechnet Heindl vor. Laut der Analyse würde dieser Preis nach einer Zwischenspeicherung bei rund 19 Cent liegen. Bei Verwendung von Hubspeichern ließen sich die Kosten auf unter zehn Cent reduzieren, ist der 60-Jährige überzeugt.
Wichtig sei, möglichst große Anlagen zu bauen. Umso so effizienter arbeiten sie am Ende. „Ein Eimer voll Wasser auf den Mount Everest gehievt speichert gerade einmal eine viertel Kilowattstunde“, verdeutlicht Heindl. Für Hubspeicher müssen daher Millionen Tonnen Gestein angehoben werden.
Welche Technologien Zukunft haben
Für welchen Ansatz Heindls Herz schlägt, ist klar. Aber welchen Technologien räumt der Wissenschaftler ebenfalls Zukuftschancen ein? „Ich bin Tesla-Fahrer und das klappt sehr gut, seit 160.000 Kilometern“, so der Professor. Mit weiterer Forschung gebe es bei Batterien noch Luft nach oben. Vor allem müsse es gelingen, Lithium zu ersetzen, da dieser Rohstoff endlich und – wie bei Gas und Öl – mit Abhängigkeiten verknüpft sei.
Wasserstoff als Energieträger und als Speicher sieht Heindl kritisch, eine flächendeckende Umsetzung unrealistisch. Als Grund nennt er an erster Stelle den schlechten Wirkungsgrad mit 30 bis 50 Prozent nach Abzug aller Verluste bei Erzeugung, Transport und Rückverstromung.
Im Sachen Energieproduktion steht Heindl der Atomenergie nicht abgeneigt gegenüber. „Ich bin Fan von modernen Kraftwerken.“ Die seien kleiner, sicherer, würden ohne Druck funktionieren. „Man sollte die Entscheidung zum Atomausstieg noch einmal überdenken“, so seine Meinung.
Neuen Idee
Auch wenn sein Hubspeicher-Projekt weiter in der Schublade schlummern wird, will Eduard Heindl weiter die Energiewende vorantreiben. Seine jüngste Idee: Regelmäßige Gesprächsrunden und Interviews mit Experten, die er auf seinem Youtube-Kanal ausstrahlen möchte, um so Wissen zu unterschiedlichen Energiethemen zu verbreiten und möglichst viele Menschen zu informieren. Der Start ist für Ende November geplant.