Rund 950 Zuschauer hatten bei der SÜDKURIER-Wahlarena in der vergangenen Woche die Gelegenheit, Fragen an die Kandidaten für das höchste Amt in der Stockacher Stadtverwaltung zu stellen. Viele machten auch Gebrauch davon, doch die Zeit war am Ende dann doch zu knapp, um alle Fragen zu stellen.
Einige der eingereichten Zettel mit Fragen, die nicht bereits an anderer Stelle gestellt wurden, hat die Lokalredaktion des SÜDKURIER nochmals an die fünf Kandidaten Yurdagül Coşkun, Rainer Beel, Susen Katter, Michael Mende und
Christine Derschka: Sie sprechen davon, Bürger zu beteiligen. Was sind für Sie hierfür erfolgversprechende Formate, insbesondere auch im Hinblick auf eine Jugendbeteiligung?
Yurdagül Coşkun: „Um erfolgreich Bürger einzubeziehen, sollten wir verschiedene Formate anbieten, die den Bedürfnissen der Gemeinschaft gerecht werden. Das schließt auch die Jugend mit ein. Hierfür könnten Online-Plattformen, öffentliche Foren, Umfragen und Bürgerwerkstätten genutzt werden, um sicherzustellen, dass verschiedene Altersgruppen und Interessen gehört werden. Speziell für Jugendliche möchte ich innovative Ansätze wie Projekte in Schulen fördern, um ihre Perspektiven und Ideen aktiv einzubeziehen.“
Rainer Beel: „Das können ganz unterschiedliche Formate sein. Fest vorgenommen habe ich mir regelmäßige Bürgersprechstunden. Gerne mache ich auch Termine mit Vereinen, Verbänden oder Interessengemeinschaften. Auch werbe ich dafür, die Fragestunde des Gemeinderats zu nutzen und einen Einwohnerantrag zu stellen.“
Susen Katter: „Das richtige Format hängt von der Zielgruppe und dem Thema ab. Ein Jugendforum oder ein Jugendgemeinderats sind möglich. Die digitale Befragung als Ergänzung zur Beteiligung ist flexibel und weniger zeitaufwendig. So werden viele Menschen, besonders jüngere, erreicht und zur Teilnahme bewegt werden.“
Michael Mende: „Das erfolgversprechende Format ist für mich das direkte Gespräch. Zwar gibt es bereits diese Bürgermeistersprechstunden. Jedoch würde ich gerne versuchen, Sprechstunden auszuweiten und auch Termine in den Stadtteilen anbieten. Auch Sprechstunden, die alleine Jugendlichen vorbehalten sind, kann ich mir vorstellen. Und: ich wohne in Stockach, gehe hier einkaufen, kehre ein – einem Gesprächsersuchen kann und möchte ich mich nicht entziehen.“
Jayden Stefan Grey: „Die Stadt Stockach sollte eine Homepage sowie zusätzlich eine App anbieten. Beide würden für die Bürger eine Möglichkeit schaffen, vollkommen anonym und mit der zusätzlichen Möglichkeit von Dokument- und Fotoupload ihre Anregungen, Wünsche und aktuelle Themen einzusenden. Zudem soll es auch eine Fortschrittsanzeige geben, welche bereits eingesendeten Probleme angenommen und behoben wurden. Mit Blick auf die Jugendlichen würde ich einen Jugendrat vorschlagen, welcher für zwei bis drei Jahre gewählt wird. Jeweils ein junger Mensch im Alter von 14 bis 21 Jahren, pro Stadtteil und Gemeinde und auch nur von dieser Altersgruppe wählbar. Mein Ziel wäre es, mit ihnen vierteljährliche Sitzungen abzuhalten, um die wirklichen Themen der Jugend aus den unterschiedlichen Gemeinden und Einzugsgebieten zu erfahren. Zu den Sitzungen würde ich zudem die Schulleiter, Vertrauenslehrer und Schülersprecher aller Schulen in Stockach hinzuziehen.“
Hans-Jürgen Weißenberger: Immer wieder gibt es Interessenskonflikte zwischen verschiedenen Gruppierungen (zum Beispiel wenn ein neues Baugebiet ausgewiesen wird und die umliegenden Anwohner/ Hauseigentümer deswegen Bedenken/ Besorgnisse haben) . Auf welche Weise wollen Sie in diesem Spannungsfeld agieren?
Yurdagül Coşkun: „In einer lebendigen Gemeinschaft sind Interessenskonflikte unvermeidlich. Mein Ansatz ist es, auf einen transparenten und fairen Dialog zu setzen. Dies bedeutet, dass alle Beteiligten angehört werden. Ich werde mich aktiv um Kompromisse bemühen und alternative Lösungen suchen, die die Bedenken und Sorgen der Anwohner und Hauseigentümer berücksichtigen. Ziel ist es, eine ausgewogene Balance zu finden und eine offene Kommunikation zu gewährleisten, um Konflikte zu minimieren.“
Rainer Beel: „Das lässt sich so pauschal nicht sagen, denn es kommt immer auf den Einzelfall an. Zuerst suche ich immer das Gespräch. Welche Bedenken gibt es, lässt sich ein Kompromiss finden? Es mag sein, dass die Anwohner Einsprüche zu Recht geltend machen. In anderen Fällen lassen sich Bedenken vielleicht schnell ausräumen.“
Susen Katter: „Neben Erörterungsterminen sind Befragungen eine gute Chance, im Vorfeld ein Meinungsbild zu erhalten. Es ist wichtig, frühzeitig zu beginnen. Dies führt zu einer größeren Akzeptanz und bestimmte Konflikte können von Anfang an ausgeräumt werden. Denkbar ist eine Arbeitsgruppe, die aus Vertretern der unterschiedlichen Interessengruppen besteht.“
Michael Mende: „Als Konfliktvermittler in der Forschung habe ich die Erfahrung gemacht, dass die meisten Konflikte durch unausgesprochene Erwartungshaltungen entstehen. Die Vermittlung des Dialoges zwischen den unterschiedlichen Gruppen wäre mein Ansatz, um die Kommunikation zu fördern. Sollte ein direktes Gespräch zwischen den beiden Gruppierungen nicht zielführend sein, ist die pendelnde Vermittlung, das Gespräch abwechselnd mit der einen und der anderen Gruppe, der nächste Schritt.“
Jayden Stefan Grey: „Sollte es sich bei dem gemeinten Baugebiet um ein Gewerbegebiet handeln, welches in der Nähe von Wohngebieten geplant wird, ist meine Ansicht folgende: Der aktuelle beschlossene Flächennutzungsplan ist noch weit von einer kompletten Ausschöpfung entfernt und lässt genug Spielraum, um solche Konflikte zu verhindern. Gleiches gilt bei Planungen von Mehrfamilienhäusern, in überwiegenden Einfamilienhaussiedlungen. Es gibt für mich nie ein Schwarz-Weiß-Denken. Es gibt immer ein Kompromiss, der nur gefunden werden muss, welche meine Aufgabe dann wäre.“
Gaby Valkenburg: Wie sieht Ihre Vision von Stockach 2033 und 2043 aus?
Yurdagül Coşkun: „Meine Vision für Stockach im Jahr 2033 und darüber hinaus ist geprägt von einer lebenswerten und nachhaltigen Stadt. Ich sehe eine blühende Wirtschaft, eine starke Gemeinschaft und eine umweltbewusste Stadtentwicklung. Stockach soll ein Ort sein, der für Familien attraktiv ist, mit modernen Bildungseinrichtungen, kulturellen Angeboten und einer gut vernetzten Infrastruktur. Gleichzeitig streben wir nach ökologischer Nachhaltigkeit, indem wir erneuerbare Energien fördern und die Umwelt schützen. Die Stadt soll ein Ort sein, an dem Menschen aller Altersgruppen gerne leben und arbeiten.“
Rainer Beel: „In zehn Jahren würde ich gerne hören: ‚Rainer Beel hat sich fachlich eingearbeitet, ist menschlich korrekt gewesen und hat unseren Ort nach vorne gebracht.‘ Am liebsten von denen, die mich nicht gewählt haben. 2043 würde ich gerne in einer Stadt leben, in der keiner mehr danach fragt, ob man alteingesessen ist, zugezogen oder einen Migrationshintergrund hat. Ich wünsche mir eine Stadt, in der nicht über Sachzwänge diskutiert wird, sondern über Lösungen – und zwar immer zusammen mit den direkt Betroffenen, egal ob Bürger oder Unternehmen, und natürlich mit den Fraktionen, denn am Ende zählt der Kompromiss.“
Susen Katter: „2033: Das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs hat sich aufgrund des autonomen Busverkehrs verbessert. Das städtische Krankenhaus ist Teil der Gesundheitsversorgung. Samstags treffen sich alle auf den Wochenmarkt in der Oberstadt. Die Umgehungsstraße für Espasingen ist fertig. Jedes Haus hat einen Glasfaseranschluss. Die Feuerwehr in der Kernstadt freut sich über ihr neues Feuerwehrgerätehaus, welches mit PV ausgestattet ist. 2043: Ich bin in der dritten Amtszeit. Der Durchgangsverkehr ist Vergangenheit. Stockach ist finanziell gut aufgestellt und ist ein attraktives Mittelzentrum im Landkreis. Als weltoffene Stadt ist Stockach gewachsen. Die Unternehmen von heute haben ihre Potentiale ausgeschöpft, neue Unternehmen haben sich angesiedelt. Die Ortsteile sind zufrieden.“
Michael Mende: „2033 bekommt Stockach erhebliche Fördermittel vom Bund, da es seine Emissionen drastisch durch ein funktionierendes ÖPNV Konzept, e-Mobility Angebot und ausgeklügeltes Radwegenetz reduziert hat. Die Oberstadt ist durch Begrünung und Angebot durch Gaststätten rege besucht – genau wie der Wochenmarkt am Samstag früh. 2043 führt der/die neue Bürgermeister/in die Erfolgsgeschichte von Stockach weiter. Vor allem das Narrengericht wird dann über meine geleistete Arbeit urteilen.“
Jayden Stefan Grey: „Mein Ziel ist es den Haushalt auf ein Level zu steigern, dass wir aktuelle und auch zukünftige Herausforderungen als Stadt mit den Bürgern gemeinsam lösen können. Ich habe viele Ideen und Visionen für Stockach. Eine davon ist Stockach zum Handwerkszentrum am Bodensee zu machen, denn das Handwerk ist das Gold von morgen. Dadurch würde Stockach den finanziellen Spielraum erhalten, viele Themen der Bürger in Angriff zu nehmen und das Leben in Stockach noch lebenswerter zu machen.“
Daniel Patzke: Wie verbinden Sie in der Stadt Stockach die Ansprüche von Jugend und Senioren?
YurdagülCoşkun: „Die Bedürfnisse von Jugendlichen und Senioren zu verbinden, ist ein wichtiger Aspekt einer inklusiven Stadt. Ich werde mich für die Schaffung von Begegnungsorten einsetzen, die für alle Generationen zugänglich sind. Dies kann Parks, Gemeinschaftszentren oder intergenerationelle Projekte einschließen. Weiterhin werde ich die Förderung von Aktivitäten und Dienstleistungen unterstützen, die sowohl jungen Menschen als auch Senioren zugutekommen. Hierbei liegt der Fokus auf Bildung, Gesundheitsversorgung und sozialer Integration, um eine starke und unterstützende Gemeinschaft in Stockach zu schaffen.“
Rainer Beel: „Ansprüche sind das eine, Achtsamkeit das andere. Mein Bestreben ist es, die Generationen möglichst zusammenzubringen. Verständnis füreinander erwächst aus Interesse und Begegnung. Warum sollen nicht auch Senioren in der Schulmensa essen können? Ein Gewinn für alle Beteiligten. Auch im Wohnungsbau kann man viel tun, um die Generationen näher zueinander zu bringen.“
Susen Katter: „Begegnungen können helfen. Gemeinsam mit den Schulen kann zum Beispiel ein Austausch etwa durch den Besuch von Pflegeheimen oder die Organisation eines Spielenachmittags erfolgen. Senioren als Zeitzeugen können im Unterricht einen spannenden Beitrag leisten. Ebenso denkbar sind Mehrgenerationenhäuser.“
Michael Mende: „Eine der großen Stützen in Stockach sind die Vereine. Die Zusammenarbeit mit den Vereinen ist für mich wichtig, da hier die besten Voraussetzungen gegeben werden, unterschiedliche Ansprüche zwischen den beiden Altersgruppen zu verbinden.“
Jayden Stefan Grey: „Hier sehe ich viele Themen, welche beide Gruppen betreffen. Zum einen verfügbarer aber auch bezahlbarer Wohnraum, zum anderen endlichen einen städtischen ÖPNV einzuführen. Ziel wäre es für mich, dass man kein Auto braucht, um überall und jede Gemeinde zu kommen. Ich finde, das ist eine wichtige Lösung, die ohne Frage für alle Bürger in Stockach endlich kommen muss.“