Seit dem Firmenzusammenbruch der ehemaligen Hess AG in Villingen sind mittlerweile sechs Jahre ins Land gezogen. Doch die strafrechtliche Aufarbeitung des Falls gegen die damals fristlos entlassenen Vorstände wegen des Verdachts betrügerischer Bilanzmanipulationen ist noch immer nicht in Sicht.

Dagegen möchte der Insolvenzverwalter Volker Grub aus Stuttgart möglichst noch in diesem Jahr das Insolvenzverfahren abschließen. Voraussetzung dafür ist ein Vergleich mit der Familie Hess. Die Chancen dafür stehen gut. "Wir sind uns mit der Familie Hess einig", berichtet Grub jetzt auf SÜDKURIER-Anfrage.

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Jetzt muss noch ein weiterer Beteiligter mitspielen, der diesen Vergleich bezahlen soll: Die D&O-Versicherung der ehemaligen Firmenbosse, namentlich dem damaligen Firmenvorstand Christoph Hess, dessen Vater Jürgen G. Hess, dem einstigen Aufsichtsratsvorsitzenden, sowie dem einstigen Finanzvorstand Peter Ziegler.

Eine solche Directors-and-Officers-Versicherung (D&O) ist eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, die ein Unternehmen für seine Organe und leitenden Angestellten abschließt. Über diese Versicherung will der Insolvenzverwalter zumindest einen Teil seiner Schadenersatz-Ansprüche, die er an die damaligen Unternehmensverantwortlichen gerichtet hat, hereinholen.

Nach monatelangen Verhandlungen hat Grub mit den Herren einen Vergleich abgeschlossen, nach dem sich beide Seiten über Jahre eine ganze Reihe von Prozessen geliefert hatten. 2017 wurden Christoph Hess und der ehemalige Finanzvorstand der Hess AGPeter Ziegler in zwei Prozessen zu Schadenersatzzahlungen von gemeinsam 2,5 Millionen Euro verurteilt. Allerdings sind die Beklagten jeweils in Berufung gegangen.

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Der Insolvenzverwalter ist die jahrelange Prozessiererei leid, zumal sich die Gegenseite mit guten Anwälten bestückt hat, und will einen juristischen Schlussstrich ziehen. "Für die Gläubiger der Hess-Insolvenz ist ein baldiger Vergleich besser als noch weitere Jahre warten zu müssen", erklärte er gegenüber dieser Zeitung. Bei der in Rede stehenden Haftpflichtsumme geht es um einen Betrag von deutlich unter zehn Millionen Euro, grenzte Grub das Volumen ein.

Er vermutet, dass die Entscheidung der Versicherung bereits bis in zwei Monaten vorliegen wird. Fällt sie positiv aus, rechnet Grub damit, dass er das Insolvenzverfahren bis Jahresende 2019 beenden und die Gläubiger zumindest für einen Teil ihrer Verluste entschädigen kann. Die ehemaligen Hess-Bosse wiederum hätten im Falle eines Vergleichs keine Schadenersatzforderungen des Insolvenzverwalters mehr zu befürchten.

Die Zwischenbilanz des Insolvenzverwalters nach sechs Jahren fällt gemischt aus. Das Insolvenzverfahren für die Hess AG und die Übertragung des Vermögens auf die neue Hess GmbH habe sich "auf jeden Fall gelohnt", betont er. "Erfreulich ist, dass die Nachfolgefirma Fuß gefasst und sich positiv entwickelt hat", sagte er mit Blick auf die Hess GmbH Licht & Form, die vom Nordeon-Konzern aufgekauft wurde.

Die juristische Aufarbeitung des Börsenskandals sieht er aber skeptisch. "Das ist kein Beispiel für ein gutes Verfahren", kritisiert Grub. Es habe sich gezeigt, dass sich Gerichte sehr schwer tun würden, die komplexen Bilanzfragen zu verstehen.

Christoph Hess, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Hess AG, wollte auf SÜDKURIER-Anfrage der Darstellung von Insolvenzverwalter Grub zum angestrebten Vergleich in Sachen Schadenersatzforderungen nicht widersprechen, sich aber inhaltlich dazu nicht äußern. "Wir haben bei dem Vertrag Vertraulichkeit vereinbart", sagte Hess.

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Unabhängig von den zivilrechtlichen Schadenersatz-Auseinandersetzungen läuft das Strafverfahren gegen Christoph Hess, Peter Ziegler, Jürgen G. Hess sowie weitere zwei einstige Mitarbeiter der Hess AG und zwei konzernfremde Geschäftsführe. Ihnen wirft die Staatsanwaltschaft in der Anklage von 2015 schwere Wirtschaftsdelikte vor, darunter systematische Bilanzmanipulationen oder Beihilfe dazu.

Allerdings wurden diese Vorwürfe, die von der Staatsanwaltschaft Konstanz 2015 in einer Anklageschrift zusammengefasst worden, bisher vom zuständigen Gericht, der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Mannheim, noch nicht immer nicht abschließend überprüft. Denn die Kammer ist seit Jahren chronisch mit Verfahren überlastet.

Bis wann der Fall Hess an der Reihe ist, ist noch nicht absehbar. Richter Joachim Bock, der Pressesprecher des Gerichts, erklärte dazu gestern: Bevor die Wirtschaftsstrafkammer sich um den Fall Hess kümmere, müssten zuvor zwei andere Prozesse, bei denen Beschuldigte in Untersuchungshaft sitzen, vorrangig bearbeitet werden. Wie lange das dauert, sei nicht vorhersagbar. "Wir haben aber vor, dieses Jahr zu entscheiden, ob der Hess-Prozess eröffnet wird." Sollte das Gericht die Verfahrenseröffnung beschließen, könne es im günstigsten Falle auch 2019 zum Auftakt des Prozesses kommen.

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Chronologie eines Wirtschafts-Krimis

  • 21. September 2012: Die Leuchtenfirma Hess AG kündigt den Börsengang an. Der Mittelständler mit rund 360 Mitarbeitern werde den Kapitalmarkt anzapfen, um sein Wachstum zu finanzieren.
  • 23. Oktober 2012: Die Hess AG platziert ihre Aktien zu je 15,50 Euro. Der Gesellschaft fließen 35,65 Millionen Euro zu.
  • 21. Januar 2013: Der Aufsichtsrat entlässt die beiden Vorstände Christoph Hess und Peter Ziegler. Es bestehe der Verdacht, dass die Zahlen des Leuchtenherstellers manipuliert wurden, um Anleger zu täuschen.
  • 30. Januar 2013: Die Staatsanwaltschaft durchsucht die Firmenräume und beschlagnahmt Akten. Auch das Privathaus von Christoph Hess wird durchsucht.
  • 13. Februar 2013: Die Hess AG und ihre Tochtergesellschaft Hess Lichttechnik GmbH beantragen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
  • 6. März 2013: 50 Mitarbeiter der Hess AG erhalten betriebsbedingte Kündigungen. Am 31. August wird der Standort Löbau dichtgemacht. 80 Mitarbeiter sind betroffen.
  • 1. Oktober 2013: Der Leuchtenhersteller Nordeon übernimmt das angeschlagene Unternehmen mit den verbliebenen 180 Mitarbeitern.
  • Januar 2015: Christoph Hess steht unter Betreuung. Das Amtsgericht VS entscheidet auf Prozessunfähigkeit. Ob er bei einem Hauptverfahren verhandlungsfähig ist, ist noch offen.