
Die Absage von Villingens liebster Jahreszeit
Kaum etwas ist in VS größer als die Straßenfastnacht. Aber selbst sie war Corona nicht gewachsen. Die Narren feierten aber trotzdem – und zwar beim Online-Ball. Wie sehr schmerzen den OB die Absagen?
„Die Narren haben sich dafür entschieden, keine Straßenfastnacht durchzuführen. Aber viele Narren und Familien haben sich entschieden, doch auf die Straße zu gehen – was nicht schlimm ist“, sagt Roth. 2021 hätten die Vereine mit dem Online-Ball ein tolles Format gefunden: „Was mir besonders gefallen hat, war, dass die Vereine zueinandergefunden haben. Das hat sich durchs ganze Jahr gezogen. Das Verhältnis war nie schlecht, es ist jetzt aber noch viel besser geworden.“
Es werde spannend, wie es sich 2022 entwickelt. Die Zahlen sähen aktuell nicht gut aus. „In Villingen ist die Fastnacht ein besonders emotionales Thema, weil viele lange darauf hin fiebern. Wir alle haben im Sommer gehofft, dass wir Ende Januar und Anfang Februar wieder voll starten können.
Der größere Griff in die Taschen der Eltern
Der VS-Gemeinderat hat Anfang Februar die Erhöhung der Kita-Gebühren in der Doppelstadt beschlossen. War das auch fast ein Jahr nach der Entscheidung richtig?
„Die Erhöhung ist durch den Gemeinderat entschieden, da gibt es kein richtig und kein falsch“, sagt Roth. Die Gebührenerhöhung könne man rechtfertigen. Sie sei moderat geblieben, wenn man betrachtet, welcher Tarif pro Stunde und Kind gelte. „Um finanziell angeschlagene Eltern zu berücksichtigen, haben wir außerdem den Sozialfonds eingerichtet. Und Familien mit vielen Kindern haben die Möglichkeit, noch weitere Unterstützung zu erhalten.“ Viele Familien bekämen 100 Prozent der Beiträge vom Jugendamt ersetzt.
Die Lösung verbunden mit der einkommensabhängigen Gebühr ist aus Roths Sicht ein guter Weg. Was auf dem Plakat steht, findet er zu drastisch: „Das ist die Art und Weise, mit der argumentiert wird. Eigentlich geht es um nicht viel. Es ging aber nur darum zu sagen, dass man das nicht will. Ich bin sehr stolz auf den Gemeinderat, dass er da standhaft geblieben ist.“
Das Ende der Diskussion über die Art des Gedenkens
In Villingen sind 2021 nach jahrelanger Diskussion Stolpersteine verlegt worden. Endlich oder leider?
„Die Stolpersteine haben mich von Beginn meiner Amtszeit an begleitet. Ich finde es gut, dass es nun so geworden ist. Es ist ein Andenken, es ist ein Gedenken, es ist gut, dass wir es haben“, sagt Roth.
Die Diskussion über das Verlegen der Stolpersteine hat in Villingen lange gedauert: „Ich glaube, es ging da auch um die Stigmatisierung von Gebäuden. Dass man gedenkt, war nicht strittig, sondern wie man das macht. Es gab einen politischen Wechsel und jetzt haben wir ein gutes Ergebnis.“
Der traurige Spitzenreiter in der Pandemie
Das alles dominierende Thema war auch in diesem Jahr die Corona-Pandemie. Schwer belastet hat sie das Schwarzwald-Baar-Klinikum. Geimpft wurde lange im Kreisimpfzentrum, seit ein paar Wochen dann im Impfstützpunkt, wo sich Roth boostern ließ. Die Pandemie führt aktuell aber auch zu Protesten gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Wie ist mit dieser Gemengelage umzugehen?
„Ich bin in diesem Jahr Aufsichtsratsvorsitzender und sehe täglich die Schwierigkeiten, die wir erleben. Im Gegensatz zu den Annahmen, die es vergangenes Jahr gab, sehe ich jetzt, wie das Virus präsent ist“, sagt Roth und meint damit die enorme Belastung der Klinikums-Mitarbeiter. Der Schwarzwald-Baar-Kreis und vor allem Villingen-Schwenningen weisen seit vielen Monaten mit die höchsten Inzidenzen in ganz Baden-Württemberg auf.
Roth: „Die Ungeimpften sind die, die im Krankenhaus einen schweren Verlauf haben. Und wer behauptet, das ist nicht so, hat die Realität ausgeblendet.“ Natürlich gebe es „im Promillebereich“ auch Geimpfte mit schwerem Verlauf. Das habe aber meistens mit etwas anderem zu tun. „Ich will nicht theatralisch wirken. Aber wenn die Krankenhäuser voll sind und ich habe einen Schlaganfall, einen Herzinfarkt, einen Verkehrsunfall oder etwas anderes, dann wird es schwierig, wenn ich nicht die optimale Versorgung bekomme.“
Menschen, die mit den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nicht einverstanden sind, gehen seit einigen Wochen auch in Villingen „spazieren“. Was hält Roth davon? „Ich habe kein Problem damit, wenn Menschen auf die Straße gehen, um ihre Meinung zu äußern. Wir sind aber gerade in einer Pandemie, die eine gewisse Sicherheit erfordert.“ Roth erwartet daher einen 1,50-Meter-Abstand und das Tragen von Masken: „Aber Demonstrationen? Warum nicht. Ich habe damit kein Problem.“
Ein Problem sieht Roth im Rückblick in der Schließung des Kreisimpfzentrums: „Ich denke, das war ein Fehler“, sagt er. Die Entscheidung selbst war vom Sozialministerium getroffen worden. Der OB verstehe aber, dass die Entscheidung über die Schließung in einer Zeit getroffen wurde, in der die Situation eine andere gewesen war.
Der gewonnene „Kampf“ gegen die Bundeswehr
Die Bundeswehr wollte in der Nähe der Kindernachsorgeklinik in Tannheim einen Truppenübungsplatz errichten. Dagegen hatte sich Protest formiert. Letztlich konnten unter anderem Geschäftsführer Roland Wehrle (links) und OB Roth den Übungsplatz verhindern. Froh darüber?
„Das war eine gute Aktion, vor allem von den Geschäftsführern Thomas Müller und Roland Wehrle. Das Ergebnis zeigt, es nützt“, sagt Roth. Obwohl die Bundeswehr rein rechtlich die Möglichkeit gehabt hätte, den Truppenübungsplatz gegen jeglichen Protest durchzusetzen, haben sich die Gegner durchgesetzt: „Das Netzwerk war gut genug und dazu gehörten auch politische Verbindungen. Wir hatten da auch Hilfe von Thorsten Frei. Und hilfreich war es auch, dass die Bundestagswahl vor der Tür stand.“
Roth ist sich sicher, dass ein Umdenken bei den Verantwortlichen wie dem Generalinspekteur, der vor Ort war, stattgefunden hat. „Unabhängig davon, brauchen die Soldaten aber Übungsfläche. Unvorbereitet sollen sie nicht ins Gefecht gehen.“
Das Ende eines städtischen Denkmals
In diesem Jahr war es soweit: Der ikonische Saba-Schriftzug wurde entfernt, der Rückbau hat begonnen. Schwingt da beim OB Wehmut mit? Und was wird aus dem Gelände?
„Ich bin in dieser Gegen groß geworden. Ich habe das Kommen und Gehen der Mitarbeiter morgens miterlebt. Natürlich bin ich da persönlich auch selbst betroffen. Mein erster Receiver, den ich mir von meinem Gehalt gekauft habe, war ein Saba. Da habe ich schon Erinnerungen dran“, sagt Roth. Es sei aber an der Zeit für einen Strukturwechsel gewesen.
Und wie geht es weiter mit dem Areal? „Der Investor erarbeitet derzeit den städtebaulichen Vertrag. Dort entsteht eine Mischform zwischen Gewerbe und Wohnen – gerade zu Peterzeller Straße hin“, erläutert der Oberbürgermeister. Das Gelände sei ein wichtiges Entrée zur Stadt: „Wenn man von Pfaffenweiler oder Unterkirnach hereinfährt, ist das schon wichtig. Und ich kann mir gut vorstellen, wie schön es aussieht, wenn die alten Gebäude entlang der Kirnacher Straße saniert sind. Ich freue mich da drauf.“
Der verzögerte Beginn eines neuen Stadtquartiers
Der Obere Brühl, ehemals Mangin-Kasernen-Gelände, wartet noch immer darauf, von städtischer Seite richtig bebaut zu werden. Der private Investor dagegen, dessen Bereich man oberhalb sehen kann, baut bereits fleißig. Wann legt auch VS los?
„Dass wir beim Bau langsamer, als private Unternehmen sind, liegt auch am Verfahren, das wir durchlaufen müssen. Jeder Planer muss europaweit ausgeschrieben, dann mit ihm Gespräche geführt werden. Das ist für einen privaten Investor fast nicht nachvollziehbar“, sagt Roth.
Der städtische Teil des Geländes wird modernisiert, bleibt optisch aber so, wie er ist. Auf dem ehemaligen Kasernengelände sollen ein Kindergarten, Wohnungen und weitere Gebäude entstehen, die die Stadt eventuell vermietet. Für die Wohnung etwa brauche es einen privaten Investor: „Ich möchte, dass es im kommenden Jahr konkret beginnt – und zwar gegen Ende des Jahres. Im besten Fall können wir noch vor der Sommerpause die ersten wesentlichen Beschlüsse treffen. Was die Stadt beginnt, da geht es früher los.“
Der möglicherweise liegen gelassene Schnee
Im Zuge der Sparmaßnahmen hatte der Gemeinderat im Frühsommer auch die Kürzung des Winterdienstes beschlossen. Geräumt und gestreut werden müssen künftig alle „verkehrswichtigen und gleichzeitig gefährlichen“ Straßen. Ist das Konzept schlüssig? Oder muss man nachbessern?
„Der Winterdienst ist ein hoch emotionales Thema. Es haben uns viele Zuschriften auch von älteren Menschen erreicht, die Sorge haben, bei viel Schneefall nicht mehr aus dem Haus zu kommen.“ Auch nach dem neuen Winterdienstkonzept gebe es noch viele Straßen, um die sich die Verwaltung kümmere. Ab zehn Zentimeter Schnee werde geräumt. „Meine Leute arbeiten teilweise 18 Stunden durch und fangen schon um vier Uhr morgens an. Aber es können nicht alle Straßen schon ganz früh am Morgen geräumt werden“, so der OB weiter. Die Mitarbeiter arbeiten die Straßen nach der Priorität ab. Der Berufsverkehr ist für Roth sehr wichtig.
„Ich würde gerne diesen Winter abwarten und dann die Erfahrungen ins Verhältnis setzen. Dann haben wir Zeit, um – falls nötig – nachzuschärfen. Wir haben von Beginn an gesagt, dass wir lernen. Und dann machen wir auch einen Kassensturz, was wir gespart haben.“ Wichtig für Roth ist, dass es nun eine Prioritätenliste für den Winterdienst gibt.
Die Geburtstagsfeier der Badener und der Schwaben
Am 1. Januar 1971 wurde aus Villingen und Schwenningen die Doppelstadt VS. Das wird im kommenden Jahr gefeiert. Wie sehr muss wegen der Pandemie aber auf die große Fete verzichtet werden?
„Darauf freue ich mich. Wir haben viel weniger Menschen eingeladen wegen der Pandemie. Ich halte des Jubiläum aber für so wichtig, dass wir auf jeden Fall draußen eine Veranstaltung machen wollen“, hatte Roth noch vor wenigen Tagen gesagt. Am Mittwoch wurde die Feier am 1. Januar aber abgesagt. Es wird eine Video-Ansprache des Oberbürgermeisters geben. Das Budget von 250.000 Euro für die Jubiläumsfeier bleibt. Man hoffe, dass man im Sommer und dann im Herbst ausgiebiger feiern kann.
Der OB selbst fühlt sich beiden Stadthälften zugehörig: „Ich bin in Villingen geboren, habe meine Zeit im Baurechtsamt in Schwenningen verbracht und wohne jetzt auch in Schwenningen. Die Zeiten der Trennung sind vorbei und das wird auch in der Gesellschaft immer weniger.“
Bleibt noch die Frage nach der Zukunft
Nach dem Ende des Jahres, kommt der Anfang des neuen. Gefeiert wird der mit dem Silvesterfest. Und was kommt danach? Was wird wichtig? Was wünscht sich OB Roth?
„Es gibt ein Ansammlungsverbot. Aber auch hier gilt das Fingerspitzengefühl. Letztes Jahr war die Ausgangssperre, dieses Jahr nicht. Wir werden aber keine Hundertschaft losschicken“, sagt Roth.
Für 2022 hofft er sich, dass die Pandemie in den Griff gebracht wird. Roth: „Das wünsche ich mir von Herzen. Wir sind gefühlt nur im Krisenmodus, ständig. Das muss jetzt wieder normal werden.“ Außerdem wünscht er sich mehr echt Begegnungen. Der direkte Austausch helfe, Probleme schneller aus der Welt zu schaffen.